Als ich erfahren habe, dass die Rekonstruktion der Ausstellung „New Topographics“, die 1975 im International Museum of Photography im George Eastman House in Rochester/New York zu sehen war, während ihrer Tour auch in Köln Halt machen würde, habe ich mich gefreut wie ein Schneekönig. Rückblickend gilt sie zusammen mit „The New Color Photography“ von 1981 wohl als die wichtigste Fotografieausstellung überhaupt und hat bis heute einen enormen Einfluss. Dabei hat Kurator William Jenkins die Ausstellung damals in nur wenigen Monaten auf die Beine gestellt.

Für die jetzige Rekonstruktion, die als Wanderausstellung durch die USA und Europa tourt, brauchte Kuratorin Britt Salvesen hingegen drei Jahre. Doch die Mühe hat sich gelohnt: „New Topographics“, zu sehen in der Photographischen Sammlung der SK Stiftung Kultur, zeigt immerhin 140 der ehemals 168 Fotografien, und die meisten sind sogar Originalabzüge. Ausnahmen sind – mal wieder – Stephen Shore und Bernd und Hilla Becher, deren Bilder heute nicht mehr als Kontaktabzüge, sondern im größeren Format 50×60 Zentimeter beziehungsweise 30×40 Zentimeter präsentiert werden. 1975 fielen ihre Positionen ebenfalls ein wenig aus dem Rahmen: Shore war in der Ausstellung der einzige Farbfotograf und Bernd und Hilla Becher die einzigen Nicht-Amerikaner.

Die große gemeinsame Klammer aller Teilnehmer war hingegen das Interesse an einer neuartigen Form der Landschaftsfotografie, die mit den emotionalen Aufnahmen eines Ansel Adams höchstens die feine Gestaltung und die technisch Qualität gemein hatten. Inhaltlich ging es den versammelten Fotografen jedoch nicht um die Schönheit der unberührten Natur, sondern um die vom Menschen veränderte Landschaft – mit landwirtschaftlich genutzten Bereichen, Brachland und Randgebieten, Wegen, Straßen, Plätzen, Wohn- und Gewerbesiedlungen, historisch gewachsenen oder im Bau befindlichen Industrie- und Stadtarchitekturen. Vor allem aber nahmen sie sich als Urheber weitgehend zurück. Lewis Baltz hat es damals damit beschrieben, dass es die erste Aufgabe von Fotografien sei, „dem Betrachter zu verdeutlichen, dass sie wirklich Dokumente sind und der Photograph seine Fähigkeiten insbesondere zur Beobachtung und zur Beschreibung eingesetzt hat, während er seine Vorstellung und Vorurteile außen vorließ. Das ideale photographische Dokument würde ohne Autorenschaft oder Kunst erscheinen.“

Trotz aller Objektivität gibt es enorme formale Unterschiede zwischen den Fotografen: Während Henry Wessels Bilder auf den ersten Blick wie Schnappschüsse aussehen, entpuppen sie sich beim genauen Hinsehen als meisterhaft komponiert – hier wurde wie auch bei Stephen Shore nichts dem Zufall überlassen. Robert Adams‘ Arbeiten wirken teilweise wie die bereits erwähnten Ideal-Landschaften Ansel Adams‘ – nur mit den deutlichen Zeichen der Zivilisation im Vordergrund. Der bis heute wenig bekannte Joe Deal fotografierte hingegen einsame Einfamilienhäuser in der öden Landschaft meist von einem erhöhten Standpunkt aus. Er selbst meinte damals: „Der gewählte Ansatz entsprach meinem Wunsch nach geringer persönlicher Einflussnahme und größerer Einheitlichkeit.“ Da auf seinen Bilder kein Horizont zu sehen ist, wechselte er so „von der Topografie zur Kartografie“, wie die Leiterin der Photographischen Sammlung der SK Stiftung Kultur, Gabriele Conrath-Scholl, erklärt.

Mir persönlich sehr gut gefallen hat auch die Serie von Frank Gohlke – und da besonders seine Arbeit „Irrigation Canal, Albuquerque, New Mexico“ von 1974. Der schmutzige Kanal mit seinen glatten, steilen Wänden ist für mich eine wunderbare urbane Metapher auf die amerikanische Landschaftsfotografie – nur eben ohne Landschaft. Das einzig natürliche auf dem Bild sind die Wolken und das bisschen Unkraut an den ansonsten glatten Betonwänden.

„New Topographics“ ist noch bis zum 27. März in Köln zu sehen. Danach macht sie Station in Horten, Rotterdam und Bilbao. Außerdem sind zur Ausstellung auch zwei empfehlenswerte Bücher erschienen. Der ausführliche und schlicht, aber sehr schön gestaltete Katalog (256 Seiten, 49,50 Euro, Steidl) enthält neben den Bildern auch Ansichten der 1975er-Ausstellung sowie eine Reproduktion des dazugehörigen, 48-seitigen Ausstellungskatalogs. Der hat damals übrigens sieben Dollar gekostet – heute zahlt man im Antiquariat wohl eher 1000 Euro und mehr. Das zweite Buch „New Topographics – Texte und Rezeption“ (159 Seiten, 25 Euro, Fotohof Edition) enthält neben einem ausführlichen Text von Britt Salvesen vor allem auch die erstmals ins Deutsche übersetzte Einleitung William Jenkins‘ aus dem Jahr 1975. Daraus möchte ich gerne seinen letzten Satz zitieren, der an bescheidener Weitsicht wohl kaum zu übertreffen ist: „Wenn New Topographics ein zentrales Ziel hat, so ist es – zumindest im Moment – einfach aufzuzeigen, welche Bedeutung es hat, eine dokumentarische Photographie zu machen.“

Links: SK Stiftung Kultur, Steidl