Im vergangenen Sommer ist mit Herbert Hoffmann einer der bekanntesten deutschen Tätowierer im Alter von 90 Jahren gestorben. Aber er war nicht nur eine lebende Legende seiner Zunft, sondern hat auch zahlreiche wunderbare Fotografien hinterlassen: In den 1950er bis 70er Jahren hat er Tätowierte mit seiner gebraucht gekauften Rolleiflex fotografiert – dabei ging es ihm nie um das einzelne Tattoo, sondern immer um den ganzen Menschen.

Einige seiner Schwarz-Weiß-Aufnahmen sind noch bis zum 2. April in der Galerie Susanne Zander in Köln zu sehen. Meine ausführliche Besprechung könnt ihr außerdem bei Artnet nachlesen.

Nachtrag: Weil das Artnet-Magazin leider nicht mehr existiert, gibt es meinen Artikel nun hier. Viel Vergnügen.

 

Der Tätowierer als Fotograf

Wer schon einmal ein Tattoo-Studio betreten oder zumindest die Schaufenster von außen betrachtet hat, kennt die zahlreichen Fotografien, mit denen sich die Betreiber und „Tattoo-Artists“ gerne schmücken. Darauf zu sehen: Drachen und Schwalben, Rosen und Sterne, Totenköpfe und Tribals auf irgendwelchen nicht immer sofort zu identifizierenden Körperstellen, meist rot umrandet durch die Reizung der Haut – schließlich wurde das Tattoo gerade erst gestochen und die wenigsten Kunden wollen nur des Referenz-Schnappschusses wegen noch einmal zurück kommen.

Umso bemerkenswerter sind die Aufnahmen von Herbert Hoffmann, die nun als Leihgabe der Galerie Gebr. Lehmann in der auf Art Brut spezialisierten Galerie Susanne Zander in Köln zu sehen sind. Noch bevor Hoffmann selbst zu einer Ikone dieser Zunft wurde, sprach er Ende der 50er Jahre Menschen auf der Straße auf ihre Tätowierungen an und fragte, ob er sie zu Hause fotografieren könne – und das ist die große Stärke seiner Schwarzweißaufnahmen, die er mit einer gebraucht gekauften Rolleiflex gemacht hat: Sie zeigen nicht nur die anonymisierte Tätowierung, sondern den ganzen Menschen. Hoffmann ist ihr Bewunderer, ohne sie deshalb zu verklären. Denn er fotografierte sie in ihrem direkten Lebensumfeld, meist in der Wohnung.

In dieser Zeit entstanden Hoffmanns stärkste Aufnahmen: Stolze und zugleich ein wenig bieder wirkende Männer und manchmal auch Frauen, die sich halb oder sogar völlig nackt zeigten, ohne sich jedoch für ihn zu verstellen. Der „Blaue Oskar“ und seine Frau Emma beispielsweise. Sie sind als feuerspuckende und schwertschluckende Schausteller um die Welt gereist und lebten nun, mittlerweile deutlich über 70 Jahre alt, in ärmlichen Verhältnissen in Berlin. Ihr gemeinsames Bild ist das vielleicht intimste Hoffmanns überhaupt und voller Zärtlichkeit füreinander, während ihre Tätowierungen sie wild und unberechenbar aussehen lassen. Es ziert auch das Buch „BilderbuchMenschen“, in dem Hoffmann seine Fotografien versammelt und um Geschichten und Anekdoten angereichert hat.

Darin kommt auch Karl Oergel vor, der ein bisschen wie Ed Ruscha aussieht und dessen nackter Körper nahezu vollständig mit Tinte bedeckt ist. Selbstbewusst stemmt der damals fast 50-Jährige die Hände in die Hüfte, schaut aber nicht in die Kamera. Das natürlich Seitenlicht ist perfekt, er wirkt nachdenklich. Im Hintergrund erkennt man ein Bett und eine Nachttischlampe – und auch, wenn der Fokus nicht ganz richtig liegt, ist es eine großartige Aufnahme, die in der Tradition der großen Porträtfotografen des 20. Jahrhunderts wie August Sander steht: Mit einer klaren, zentralen Komposition ohne viel Schnickschnack – und doch den gesamten Menschen greifend.

Irritierende Aufnahmen – und Preise

Elf Jahre später, 1968, hat Hoffmann Oergel ein weiteres Mal fotografiert – da ist sein Gesicht mittlerweile auch tätowiert. Das hat er selbst gemacht, genauso wie seine Hände, weil Hoffmann Gesichtstätowierungen Zeit seines langen Lebens (er starb im vergangenen Sommer mit 90 Jahren) abgelehnt hat. Dieses Foto kommt aber bei weitem nicht an die erste Aufnahme heran – Hoffmann ist zu diesem Zeitpunkt schon zu bequem, vielleicht hatte er aber auch einfach keine Zeit mehr, die Menschen alle zu Hause zu besuchen. Auf jeden Fall bat er sie stattdessen in sein legendäres Tätowierstudio nach Hamburg, wo er sie entweder direkt oder vor einem etwas halbherzig gehängten schwarzen Hintergrund fotografierte. Auch dort sind mitunter gute Porträts entstanden – die kanadischen Matrosen beispielsweise oder das Nacktporträt von Franz Kranwetvogel, der sich erst mit über 70 Jahren entschied, seinen gesamten Körper tätowieren zu lassen und der nur ein Jahr später starb. Aber ihnen fehlt das soziale Umfeld, das Private – und damit auch ein bisschen die Magie.

Irritierend ist an den Bildern allerdings vor allem der Preis: 2000 Euro kostet ein Abzug im kleinen Format 28,5 mal 28,5 Zentimeter. Der ist dann zwar schon gerahmt, mit einer Auflage von zwölf Exemplaren aber auch nicht gerade eine Rarität – zumal Herbert Hoffmann auch kein riesiges Œuvre aufweist. Ganz im Gegensatz zu Andy Warhol zum Beispiel, dessen Polaroids gerade nicht weit von der Ausstellung entfernt in der Galerie Priska Pasquer gezeigt werden. Die sind mit 16.000 bis 32.000 US-Dollar auch nicht gerade billig – dafür aber wenigstens Unikate. Und eine gute Geldanlage obendrein.

Herbert Hoffmann – Galerie Susanne Zander, Antwerpener Straße 1, Köln. Vom 12. Februar bis 2. April 2011

Link: Galerie Susanne Zander