An meinem Geburtstag habe ich mir selbst ein Geschenk gemacht und bin in den kleinen Ort Clervaux nach Luxemburg gefahren. Im dortigen Schloss befindet sich seit 1994 die wohl legendärste und nach eigenen Angaben „größte Fotoausstellung der Welt“: The Family of Man.
Die Ausstellung wurde ursprünglich 1951 von niemand Geringerem als Edward Steichen für das MoMA in New York kuratiert, dessen Leiter er damals war. Die Zusammenstellung von ca. 500 Aufnahmen bekannter und vollkommen unbekannter Fotografen zeigt ein sehr umfassendes Porträt der Menschheit, unterteilt in insgesamt 37 Bereiche wie Geburt, Arbeit, Familie, Kinder, Glaube, Liebe, Krieg und Frieden. Nach dem enormen Erfolg der Ausstellung in New York gingen die Bilder auf Welttournee, bis sie schließlich als Geschenk nach Luxemburg kamen, wo sie nun permanent zu sehen sind.
Es mag aus heutiger Sicht arg naiv wirken, wenn ein Amerikaner kurz nach dem Zweiten Weltkrieg Menschen dazu auffordert, ihre Bilder einzureichen, um durch diese Humanismus und Nächstenliebe zu verbreiten – und vielleicht sogar zukünftige Kriege zu verhindern. Vielleicht ist es sogar schon naiv zu glauben, durch eine Fotografieausstellung überhaupt ein umfassendes „Porträt der Menschheit“ zu erhalten, bilden die Aufnahmen doch nur ein sehr enges historisches Zeitfenster ab und überwiegt doch das eindeutig westlich geprägte Menschenbild.
Auf der anderen Seite ist diese Ausstellung tatsächlich ein Geschenk für die Menschheit – das muss ich so pathetisch formulieren. Diese große Menge an Bildern unterschiedlicher Fotografen – von Berühmtheiten wie Henri Cartier-Bresson, Robert Capa und Robert Frank bis hin zu eher Vergessenen wie Howard Sochurek, Wayne Miller, Gjon Mili und Carl Perutz – findet man kein zweites Mal auf so engen Raum und für eine so lange Zeit. Nicht umsonst wurde „The Family of Man“ 2003 in das „Memory of the World Register“ der Unesco aufgenommen.
Last not least ist es für jemanden, der regelmäßig in Galerien und Museen ist, extrem spannend zu sehen, wie Ausstellungskonzpte vor 50 Jahren entwickelt und umgesetzt wurden – schließlich ist „The Family of Man“ in Clervaux nahezu so aufgebaut, wie sie auch ursprünglich in New York zu sehen war. Dieses Wirrwarr von dicht neben- und übereinander (und sogar an der Decke!) hängenden Bildern ist in einer Zeit des alles beherrschenden und häufig auch kritisierten „White Cubes“ absolut beachtenswert. Insofern ist die Ausstellung auch eine kleine Zeitreise zurück in die 1950er Jahre.