Brücken faszinieren mich. Ganz besonders dann, wenn sie im krassen Gegensatz zur Landschaft stehen, also hoch über Wälder, Berge und Täler hinweg führen oder Städte und Dörfer überragen. Denn anders als ebenfalls deplatziert wirkende Hochhäuser oder Gewerbehallen dienen die Brücken meist Autofahrern bloß zum schnelleren Vorankommen – sie verweilen selbst nicht vor Ort und müssen sich dementsprechend auch nicht mit der von ihnen genutzten Architektur arrangieren während sich für die Menschen, die dort leben, das Landschaftsbild radikal verändert. Und in dünn oder gar nicht besiedelten Regionen sind Brücken und Autobahnen ohnehin Fremdkörper in der Landschaft – nur mit dem Unterschied, dass wir sie dort nur sehr selten wahrnehmen geschweige den betrachten, weil wir uns dort meist auf ihnen befinden.

Sue Barr ist Professorin für Fotografie an der Architectural Association in London und beschäftigt sich seit Jahren mit brutalistischer Architektur. Sie hat die italienische Autostrada zwischen den Alpen und Neapel mit ihrer Großformatkamera fotografiert und dabei Perspektiven eingenommen, die den meisten von uns verborgen bleiben: Ganz im Sinne der New Topographic-Bewegung zeigt sie uns die Straßen und Brücken innerhalb einer durch den Menschen veränderten Landschaft. Ihre Bilder sind voller Schönheit und Hässlichkeit, Eleganz und Brutalität zugleich, doch wie so oft ist es genau diese Ambivalenz, die die Spannung erzeugt. Unterstrichen wird es zudem dadurch, dass die italienischen Autobahnen so gebaut wurden, dass sie jedes Hindernis mehr oder weniger ignorieren, was vor allem in den Städten zu spektakulären Bausünden geführt hat, über die man nur verzweifelt den Kopf schütteln mag.

Sue Barrs Projekt „The Architecture of Transit“ ist kürzlich als Buch im Verlag Hartmann Books erschienen. Es hat 104 Seiten und kostet 34 Euro.

 

 

Links: Architecture of Transit, Hartmann Books