Im Ksta ist meine Besprechung über die Ausstellung von Ted Partin erschienen – da sie allerdings doch stark gekürzt und ohne Bild abgedruckt wurde, gibt es sie hier noch einmal in voller Länge:

Ted Partin ist im Rheinland zurzeit das, was gerne ein „Geheimtipp“ genannt wird. Kaum einer kennt den jungen Fotografen aus Brooklyn, aber wer seine Ausstellung im letzten Jahr in der Düsseldorfer Galerie Thomas Flor oder aktuell im Museum Haus Esters in Krefeld (noch bis zum 19. September) gesehen hat, spricht meist voller Begeisterung und Bewunderung von den intensiven Porträts des 33-Jährigen.

Ihre Wirkung entfalten die Originalabzüge sicherlich auch auf Grund der eingesetzten Technik – schließlich fotografiert Partin mit einer großen und schweren Fachkamera der Marke Deardorff, mit der auch schon Richard Avedon gearbeitet hat. Das Negativ, das dabei belichtet wird, ist mit 20 mal 25 Zentimetern etwa sechs mal so groß wie eine durchschnittliche, digitale Kompaktkamera – die Brillanz der Abzüge lässt jeden neuen Megapixelrekord und jede Bildstabilisatoren-Neuheit wie einen Treppenwitz der Fotografiegeschichte dastehen.

Doch all diese technischen Feinheiten nutzen nur wenig, würde es am entsprechenden Inhalt fehlen. Tut er bei Partin aber nicht. Denn der Amerikaner bewegt sich mit der Ausstellung „Eyes look through you“ souverän in der Sphäre zwischen Dokumentar- und Inszenierter Fotografie und zeigt junge Erwachsene zwischen Rebellion und Resignation, zwischen Selbstreflektion und Selbstaufgabe. Partin fotografiert sie durch Fenster und Spiegel, um räumliche Situationen zu verschachteln und neue Perspektiven zu kreieren – dadurch gewinnt er Nähe und Distanz zugleich. Aber auch ohne solche Hilfsmittel gibt es immer wieder Barrieren, die er zu überwinden versucht – zum Beispiel der Hund mit dem Maulkorb auf dem Steg vor ihm, der Mann unter der Wasseroberfläche oder der frisch nach einer Operation verklammerte Hinterkopf eines anderen.

Faszinierend ist auch das Porträt einer Frau. Sie wirkt merkwürdig fremdartig, als wäre sie eine Afroamerikanerin mit Albinismus. Doch als würde dies alleine noch nicht ausreichen, lässt Partin sie während der Langzeitbelichtung die Lieder schließen. Auf dem Abzug wirkt dies wie ein milchiger Schleier über den Augen als wäre sie blind. Direkt unter der Oberfläche seiner Bilder liegt häufig etwas Dunkles, etwas Verborgenes – so auch wie bei der grandiosen Farbaufnahme einer anderen jungen Frau. Männerhände ziehen an ihrer Bluse, so dass eine große, sternförmige Narbe auf ihrem Dekolleté erscheint, die sie sich offensichtlich freiwillig zugezogen hat. Dass Partin dieses Bild direkt auf Cibachromepapier belichtet hat, kann auch als Respekt seinem Modell gegenüber verstanden werden, denn bei dieser Technik existiert kein Negativ mehr, und der Abzug wird somit zum Unikat – in der Fotografie eigentlich ein Absurdum.

Der Vergleich mit anderen Porträtfotografen wie August Sander, Diana Arbus und Judith Joy Ross drängt sich auf, schließlich fotografiert Partin ganz in ihrer Tradition. Aber auch Larry Clark, der Jugendliche im Drogen- und Sexrausch fotografierte, steht in gewisser Weise Pate – nur, dass Partins Bilder subtiler und weniger aggressiv, seine Modelle eher abgeklärt, einsam und melancholisch statt provokativ sind. Ihre Tattoos, Piercings und Narben sind ein Teils ihres Ichs – und nicht allein dafür da, um andere zu schockieren oder weil ihnen langweilig ist. Und anders als bei Clark, bei dem der Betrachter zum Voyeur wird, sind es bei Partin häufig die Betrachter selbst, die angeschaut werden. Es sind ganz flüchtige Augenblicke, und deshalb wirken Partins Fotografien auch so beiläufig, so schnappschussartig – obwohl sie in Wirklichkeit von langer Hand geplant und perfekt durchkomponiert sind. Da kommt dann Gregory Crewdson ins Spiel, bei dem er studiert hat – nur sind Partins Arbeiten deutlich leichter und viel weniger cineastisch, weil sein Licht natürlich und nicht dramatisch zugespitzt wirkt.

Trotz der zahlreichen Vergleiche und Parallelen hat sich Ted Partin also eine sehr eigenständige Handschrift erarbeitet und öffnet dem Betrachter somit eine fotografische Welt, die sich erfrischend von der des vorherrschenden Kunstmarktes abhebt. Für mich ist „Eyes look through you“ jedenfalls die bislang beste Fotoausstellung des Jahres.