Bei meinem Besuch in Landshut vor einem Monat habe ich auch den dortigen Fotografen Peter Litvai in seiner Studio-Galerie besucht. Dabei ist mir seine Serie „Tagesform“ aus dem Jahr 2010 ganz besonders in Erinnerung geblieben.

Ausgegangen ist er von der (nicht ganz neuen) Idee, verschiedene Menschen einer mehr oder weniger losen Gruppe zu porträtieren und diese Fotografien gleichberechtigt übereinander zu belichten, so dass am Ende ein einziges (Durchschnitts)gesicht entsteht. Solche Bilder kenne ich bereits von Ken Kitano und Michael Wesely und auch Thomas Ruff hat mit seinen „Anderen Porträts“, für die er in Phantombild-Manier Gesichter zusammenstellte, einen ganz ähnlichen Ansatz gehabt.

Was mich nun beeindruckt, ist die Art und Weise, wie Litvai diese Technik und den gedanklichen Ansatz weitergedacht hat: Statt 20 oder gar 50 unterschiedliche Gesichter zu montieren, hat er Personen jeweils einen Tag lang begleitet und sie jede halbe Stunde fotografiert. Aus den dabei entstandenen 24 Aufnahmen hat er dann ein Durchschnittsgesicht einer einzigen Person gemacht: Die Augen befinden sich als Fixpunkte immer an den gleichen Stellen, aber deswegen müssen nicht zwangsläufig auch Nase, Mund und Ohren, Haare, Falten und Kinn immer an den selben Positionen sitzen. Natürlich ist es nicht wirklich erstaunlich, das Aufnahmewinkel, Licht, Tageszeit, Müdigkeit, Vertrautheit, Stress und all diese Faktoren ein Gesicht verändern (man muss sich nur die zahlreichen Serien von Amateurfotografen im Internet anschauen, die sich täglich selbst fotografieren) – es wurde nur selten so konsequent und außergewöhnlich dargestellt.

Die Personen erhalten in Litvais Aufnahmen eine nebulöse Aura, die jedem gewöhnlichen Porträt die Daseinsberechtigung nimmt. Das kann man, denke ich, im direkten Vergleich unten sehen: In der Thumbnail-Ansicht wirken die Porträts noch recht „normal“. Das Absurde: Macht man sie größer, geht man also quasi näher an die Person heran, wird diese immer undeutlicher und verschwommener. Das ist nicht immer schmeichelhaft für die Porträtierten – aber darum geht es hier auch nicht. Bezogen auf die Fotografie im Allgemeinen kann man sagen: Allen immer wiederkehrenden Behauptungen zum Trotz kann kein Porträt das vielschichtige Wesen eines Menschen auch nur annähernd festhalten. Im besten Fall hält der Fotograf nur seine Sicht der Dinge (in dem Fall: seine Sicht auf die Person) fest. Die Serie „Tagesform“ zeigt, dass selbst dies umgangen werden kann.

Etwas irritierend können übrigens die Strukturen und nicht weiter zu definierende Objekte in einigen Porträts sein. Die kommen daher, weil Litvai zusätzlich auch das ein oder andere Foto aus der Umgebung des Porträtierten aufnimmt und in das Bild mit einbaut. Da bin ich mir noch nicht ganz sicher, was ich davon halten soll: Auf der einen Seite „verwässert“ es das Konzept ein wenig, auf der anderen Seite finde ich, geben sie den Bildern eine weitere (dezente) Ebene, die nicht interpretiert werden braucht, weil sie dafür zu abstrakt ist.

Link: Peter Litvai