Das Medium Fotografie hat seit jeher die Frage nach der (konstruierten) Wirklichkeit und neuen Betrachtungsmöglichkeiten aufgeworfen. Gleichzeitig macht sich eine immer größer werdende Skepsis – besonders der Digitalfotografie gegenüber – breit, werden ihr bisherige Attribute wie „Objektivität“ und „Wahrhaftigkeit“ quasi per se abgesprochen.

Die Amerikanerin Sharon Harper spielt mit diesen Erwartungen und Ansprüchen, Behauptungen und Widersprüchen an und in der Fotografie. Als Motiv wählt sie dafür meist den Himmel mit seinen Erscheinungen wie Sonne, Mond und Sterne, die ansonsten meist eher Ziel wissenschaftlicher Fotografien sind. Doch ihr Interesse liegt nicht darin, die Himmelskörper möglichst exakt darzustellen. Harper geht es um die Analyse und um das Experiment mit den Phänomenen des Sehens, schließlich kann man nicht in die Sonne schauen und vom Mond sieht man die meiste Zeit über nur einen Teil und bei gutem Wetter alle vier Wochen mal die Vorderseite.

In ihrer zweiten Einzelausstellung in der Galerie Stefan Röpke (zu sehen bis zum 20. Januar) präsentiert sie nun drei neue Werkreihen – darunter die Langzeitstudie des Himmels über Banff in Kanada. Langzeitstudie ist dabei im doppelten Sinne zu verstehen, denn zum einen fotografierte sie einen Monat lang jede Nacht an der Serie, zum anderen arbeitete sie eben auch mit Belichtungen von bis zu zehn Stunden. Zudem belichtete Harper Negative mehrfach, wofür sie die Kamera aber offensichtlich drehte: Die gebogenen Streifen, die die Sterne auf den Bildern hinterlassen, laufen plötzlich nicht mehr parallel zueinander, sondern kreuzen sich willkürlich. Die jahrtausendealte Ordnung des Firmaments wird sichtbar und gleichzeitig zerstört.

Für ihre jüngste Serie hat Harper mit einer Digitalkamera durch ein Teleskop hindurch fotografiert.  Auf den Bildern sieht man Teile der Sonne und des Mondes. Jedes einzelne Bild ist zurückhaltend und doch sehr präzise gestaltet, doch das geht fast ein wenig unter, weil 44 Einzelbilder zu jeweils einem Tableau und drei Tableaus direkt nebeneinander angeordnet wurden. Es entsteht eine Art Fotomosaik, dessen Bilder alle innerhalb sehr kurzer Zeitabstände von nur wenigen Minuten entstanden, als sowohl Sonne als auch Mond am Himmel sichtbar waren. Wirklich sehen kann der Betrachter sie dennoch nicht – vor allem von der Sonne sind es nur unscharfe gelbe Lichtflächen, die mehr an Stefan Heynes abstrakte Farbflächen denn an einen Stern erinnern.

Überhaupt lassen die Fotografien von Sharon Harper viele Verbindungen und Assoziationen zu anderen zeitgenössischen Fotografen und Künstlern zu: Da wäre Trevor Paglen, der ebenfalls Langzeitbelichtungen vom Sternenhimmel gemacht hat – nur, dass seine Bahnen von denen der Spionagesatelliten durchkreuzt werden. Auch Bezüge zu Michael Lights Mond-Bildern aus dem Nasa-Archiv, Hans-Christian Schinks Langzeitaufnahmen des Sonnenverlaufs sowie den Sternenhimmelzeichnungen einer Vija Celmins liegen auf der Hand. Und ihre Nahaufnahmen der Sonne ähneln in der Abstraktion den unscharfen Räumen Stefan Heynes. Doch all dies schmälert nicht den Genuss an Harpers Bildern, sondern vergrößern ihn eher noch, weil sie trotz der formalen Ähnlichkeiten und Parallelen ihren ganz eigenen, konsequenten Weg geht.

Links: Galerie Stefan Röpke, Sharon Harper