Ein Buch wie „Nollywood“ gibt es nicht alle Tage – allein das schwarze Leder-Cover fühlt sich so gut und hochwertig an, dass man nicht weiß, ob man es nur mit Baumwollhandschuhen anfassen oder am besten gar nicht mehr aus der Hand legen soll. Offensichtlich hat sich der Prestel-Verlag für die neue Monographie des südafrikanischen Fotografen Pieter Hugo ordentlich ins Zeug gelegt – kein Wunder, hat er mit der Veröffentlichung des Vorgängers, dem absolut fantastischemThe Hyena & Other Men“ aus dem Jahr 2007, die Messlatte doch sehr hoch gelegt.

Aber Pieter Hugos viertes Buch „Nollywood“ braucht den Vergleich nicht zu scheuen – auch, wenn der sich sofort aufdrängt. Wieder geht es um eine ganz spezielle Absurdidät im ganz normalen afrikanischen Alltag, und auch die Art der Inszenierung seiner Protagonisten sowie der Bildaufbau sind nahezu identisch. Dennoch – das Buch ist kein Abklatsch, sondern eher eine Fortsetzung im besten Sinne.

Doch, worum geht es eigentlich? Die Filmindustrie Nigerias ist die drittgrößte der Welt – nach denen der USA und Indien. Bis zu 1000 Filme im Jahr werden in und um Lagos gedreht – meist billige B-Movies. Die Hauptthemen: Gewalt, Horror, Okkultismus, Sex und auch ein bisschen Romantik. Hugo hat rund 50 Schauspieler Filmszenen nachstellen lassen – im kompletten Kostüm und in voller Maske. In seinen Bildern warten Zombies, Vampire und Wolfsmenschen, grausam entstellte Leichen mit Maschinengewehren und eine verkohlte, dreiköpfige Familie auf den Betrachter. Die meisten stellen sich dem Fotografen wie fürs Fotoalbum zur Schau – und steigern damit noch die Absurdidät der Situation.

Dabei wird es dem Betrachter schwer gemacht, sich auf die Bilder einzustellen – muss man beim splitternackten Muskelmann mit dem Darth Vader-Helm lachen, läuft es einem beim Anblick des blutüberströmten Jungen am rostigen Maschendrahtzaun und bei den zahlreichen „Leichen“ eher kalt den Rücken herunter. Die Diskrepanz zwischen Bildaufbau und -inhalt wächst, weil Hugo Mord, Verbrechen und Schrecken im nüchternen Porträt-Stil zeigt. Der Betrachter weiß, dass alles inszeniert ist, aber die Bilder erschrecken und verstören dennoch. Und während sich die Welt längst an die Bilder aus den Kriegs- und Krisenregionen gewöhnt hat, werden sie nun inszeniert und persifliert. Nicht Afrika wird auf den Arm genommen, sondern der westlich-mediale Blick auf den Kontinent.

Fast ganz am Ende, direkt nach der Reihe der Verbrannten, kommt der Betrachter dann noch ein weiteres Mal ins Stolpern, weil plötzlich ein weißhäutiger  Darsteller mit Sturmmaske, Unterhose und Machete auf dem Bild auftaucht. Wer auf dem nachfolgenden Index nachschaut, wird entdecken, dass das Pieter Hugo selbst ist – diesen „Spaß“ hat er sich offensichtlich nicht nehmen lassen.

Hier gelangt ihr auf die Website von Pieter Hugo.