Als Vertreter eines kritischen Realismus hat sich der amerikanische Fotograf Mitch Epstein längst international einen Namen gemacht, in Deutschland ist er allerdings erst durch seine Ausstellung „State Of The Union“ im Kunstmuseum Bonn vor zwei Jahren einem breiteren Publikum aufgefallen. Seit dem wird vor allem die wie inszeniert wirkende Serie „American Power“ über die amerikanische Energieindustrie mit seinem Namen verbunden.
Für seine neue Serie „New York Arbor“ hat Epstein, der zusammen mit William Eggleston und Stephen Shore zu den Pionieren der künstlerischen Farbfotografie zählt, nach langer Zeit wieder Schwarzweiß-Filme in seine Großformatkamera gelegt und damit außergewöhnliche Bäume in seiner Heimatstadt New York fotografiert. Oder sollte man besser sagen „porträtiert“? Schließlich geht es Epstein hier um das „Individuum“ mit seinen Besonderheiten, und dabei spielt es eigentlich keine Rolle, ob dieses Individuum nun ein Mensch, ein Tier oder eben ein Baum ist.
Die neun, jeweils 1,75 Meter hohen Barytpapier-Handabzüge (!) zeigen Bäume in Parks, Einkaufszentren und Gärten, auf Gehwegen von Boulevards, Friedhöfen und in Einfamilienhaussiedlungen. Manchmal scheint es, dass sich die Pappeln, Buchen und Trauerweiden gegen ihr Umfeld auflehnen, dann scheint es wiederum, dass sie sich perfekt anpassen: Bei der Ulme im Central Park weiß der Betrachter gar nicht so genau, wer hier gerade wen imitiert – der Mensch den Baum neben ihm oder doch eher umgekehrt.
Obwohl die Serie klassischen typologischen Reihungen mit immer gleichem Bildaufbau und dem Hauptmotiv in der Mitte gleicht, unterscheiden sich Epsteins Aufnahmen ästhetisch und inhaltlich voneinander: Im Gegensatz zu Robert Voits Serie „New Trees“ über als Bäume getarnte Mobilfunkmaste (um nur ein Beispiel aus der zeitgenössischen seriellen Fotografie zu nennen) stehen bei Epstein die Bäume nicht Pars pro Toto, sondern eben jeder für sich. Es geht um die Unterschiede und um den Kontrast zwischen der Beharrlichkeit der Natur und dem urbanen Leben. Bei menschlichen Porträts würde man hier wohl von „Charakter“ sprechen.
Zu sehen ist die Ausstellung „New York Arbor“ noch bis zum 19. Januar 2013 in der Galerie Thomas Zander in Köln.
Link: Thomas Zander