Die westliche Welt entdeckt die japanische Fotografiegeschichte und ihre Protagonisten weitestgehend in antichronologischer Reihenfolge: Während die meisten mit Namen wie Nobuyoshi Araki, Daidō Moriyama, Rinko Kawauchi und Hiroshi Sugimoto längst vertraut sein dürften, sind Shōmei Tōmatsu, Akira Satō, Masahisa Fukase und Eikō Hosoe erst in den vergangenen Jahren etwas mehr in das europäische und nordamerikanische Bewusstsein geraten – in ihrer Heimat sind sie hingegen Stars und vor allem auch Vorbilder für die folgenden Generationen.

Zumindest im Falle des mittlerweile fast 90-jährigen Fotografen Eikō (oder auch Eikoh) Hosoe ändert sich das nun, denn Yasufumi Nakamori hat im Verlag Mack Books einen großen, umfangreichen und reich bebilderten Band herausgebracht, in dem acht seiner zentralen Arbeiten in ausführlichen Bildstrecken vorgestellt werden.

Ergänzt wird das Buch um zahlreiche Texte, die teilweise von Hosoe selbst, aber auch von Weggefährten und Kennern seines Werkes verfasst wurden. Darunter ist die Beschreibung des Butoh-Tänzers Tatsumi Hijikata, in der er eine Situation schildert, in der aus heutiger Sicht die Grenze zum Kindesmissbrauch wohl eindeutig überschritten sein dürfte und die mich als Leser etwas ratlos zurückgelassen hat. Zudem stellt sich die Frage, was für eine Person Hosoe eigentlich war und ist und inwieweit das Werk vom Künstler zu trennen ist.

In diesem Zusammenhang bin ich übrigens auf ein altes Kinderfotobuch gestoßen, dass Hosoe gemeinsam mit Betty Jean Lifton gemacht hat und das 1967 zum ersten Mal erschienen ist: „Taka-chan and I“ erzählt die Geschichte eines Hundes, der sich einmal quer durch die Erde bis nach Japan gräbt und sich dort mit einem kleinen Mädchen anfreundet, die ihm ihr Land zeigt. Eine wunderbare Abenteuer-Geschichte mit teilweise großartigen Schwarzweiß-Fotografien Hosoes, die auch die Frage aufwirft, warum heute eigentlich alle Kinderbücher ausschließlich mit Zeichnungen illustriert werden.

Meine Buchbesprechung ist in der Photonews erschienen und gibt es hier als PDF.

Links: Mack Books