Der Amerikaner Lewis Baltz zählt zu den wichtigsten Vertretern der New Topographic-Bewegung, die 1975 mit der gleichnamigen Ausstellung für einen Paradigmenwechsel in der künstlerischen Fotografie sorgte. Im Kunstmuseum Bonn ist nun seine erste Retrospektive in Deutschland zu sehen.

Warum die Ausstellung dennoch nicht das bietet, was sie verspricht, könnt ihr in meiner ausführlichen Besprechung auf Artnet lesen.

Nachtrag: Weil das Artnet-Magazin leider nicht mehr existiert, gibt es meinen Artikel nun hier. Viel Vergnügen.

 

Der Fotograf der Insider

Dass es von Lewis Baltz noch keine Retrospektive in einem deutschen Museum gegeben hat, ist zwar bedauerlich, aber nicht unbedingt erstaunlich – schließlich ist er eher Fotografie-Insidern ein Begriff. Für Stefan Gronert, dem Kurator der heute Abend im Kunstmuseum Bonn eröffnenden Retrospektive, liegt das unter anderem daran, dass der 1945 in Newport Beach (Kalifornien) geborene Baltz „an vielen Stellen zu früh war, um rezipiert zu werden. Das wollen wir nun ändern.“

Ob dies gelingen kann, wird sich zeigen, denn Baltz‘ Arbeiten sind nicht immer so leicht zugänglich wie beispielsweise die von Mitch Epstein – mit dessen Schau hat das Kunstmuseum Bonn vor eineinhalb Jahren eine Ausstellungsreihe US-amerikanischer Fotografen ins Leben gerufen hat, die nun eben fortgesetzt wird. Bekannt wurde Lewis Baltz vor allem durch seine Teilnahme an der heute legendären Ausstellung „New Topographics: Photographs of a Man-altered Landscape“ im Jahr 1975, die übrigens im vergangenen Jahr als Rekonstruktion in der Photographischen Sammlung der SK Stiftung Kultur in Köln zu sehen war. Gemein hatten alle Teilnehmer die Beschäftigung mit der vom Menschen veränderte Landschaft, die somit im harten Kontrast zum romantischen Landschaftsbild eines Ansel Adams stand.

Lewis Baltz zeigte damals Aufnahmen aus Gewerbegebieten in amerikanischen Vororten – streng geometrisch komponiert aus meist wenigen, eintönigen Farbflächen und Strukturen wie leere oder verschlossene Fenster, vor denen hin und wieder Bäume gesetzt wurden, in denen aber niemals Menschen zu sehen sind. Wer hinter den Fassaden was genau produziert, ist nicht mehr identifizierbar – die Gebäude und die gesamte Infrastruktur scheinen austauschbar. Fast 40 Jahre später haben diese Bilder nichts von ihrer Aktualität verloren, wie ein Blick auf die zeitgenössische Fotografie (besonders aus Deutschland) beweist.

Subjektive Dokumentarfotografie

Eines sind seine Arbeiten aber nie gewesen – objektiv. Das muss erwähnt werden, weil Baltz der Begriff „Dokumentarfotograf“ anhaftet und im gleichen Atemzug behauptet wird, er selbst habe keine Meinung zu dem Thema und wolle die Wirklichkeit nur festhalten. Ein Irrtum, schließlich muss er für jedes einzelne Foto im wahrsten Sinne des Wortes „Position beziehen“ – und wenn es auch nur deshalb ist, weil er etwas so Alltägliches und Banales wie Gewerbegebiete als fotografierenswert betrachtet. Im Gegensatz zu Bernd und Hilla Becher jedoch, die über Jahrzehnte im immer gleichen Stil Industrieanlagen fotografiert haben und die vielleicht die einzigen wirklich „objektiven“ Fotografen im Kunstbusiness sind, war Baltz die Wirkung seiner radikalen und immer auch wechselnden Bildgestaltung auf den Betrachter durchaus bewusst.

In der Bonner Ausstellung dürfen diese und ähnlichen Serien aus den 1960er bis 80er Jahren natürlich nicht fehlen – sie füllen zwei der insgesamt vier Räume. In den beiden anderen sind hingegen weit weniger bekannte Farbfotografien zu sehen – großformatig und teilweise sogar miteinander kombiniert oder collagiert. Für die riesige Wandinstallation „Ronde de Nuit“ aus den 90er Jahren hat Baltz zudem gar nicht mehr selbst fotografiert, sondern sich den Bildern aus Überwachungskameras bedient. In der nüchternen Atmosphäre des Kunstmuseums wirkt sie allerdings eher deplatziert – kein Wunder, schließlich ist Baltz mittlerweile dazu übergegangen, vor allem ortsspezifische Arbeiten herzustellen, und die können nun eben nicht so einfach woanders gezeigt werden.

Ortsunabhängig funktioniert allerdings seine Reihe „Sites of Technology“. Ganz ähnlich wie Thomas Struth 20 Jahre später interessierte sich Baltz bereits Anfang der 90er Jahre für Innenräume von Unternehmen und Institutionen aus dem Technologie-Sektor, denen man ihre Funktion meist nicht mehr ansehen kann. Damit schien er auch den Kreis zu seinen frühen Außenaufnahmen geschlossen zu haben. Konsequenterweise arbeitet er seit dem so gut wie gar nicht mehr fotografisch – zumindest nicht im klassischen Sinne. Diese Entwicklung zeigt das Kunstmuseum Bonn sehr deutlich – schwierig ist es allerdings, jene ortsspezifische und nicht auf ein Medium festgelegte Kunst zu präsentieren. In Bonn kann sie bestenfalls angedeutet werden. Das ist ein wenig schade, denn am Ende dürfte Lewis Baltz den meisten Besuchern doch nur dafür in Erinnerung bleiben, wofür er ohnehin schon bekannt ist: Als einer der prominentesten Vertreter der New Topographic-Bewegung. Und genau das wollte man in Bonn doch ändern.

Link: Kunstmuseum Bonn