Man kann Inta Ruka durchaus als Ausnahmefotografin bezeichnen. Die 1958 in Riga geborene Lettin fotografiert seit den 1980er Jahren die Menschen ihres Landes. Immer wieder kehrt sie zu „ihren“ Modellen zurück – mitunter über Jahrzehnte hinweg. Die Kölner Baukunst Galerie zeigt bis zum 14. April nun zwei ihrer Serien – „My Country People“ und „Amalias Street 5“. Und so, wie sich Ruka Zeit genommen hat, die Menschen zu fotografieren, so sollte man sich auch bei deren Betrachtung Zeit und Muße nehmen. Mit jedem Schritt und jedem Bild nähert man sich den gezeigten Personen ein Stückchen mehr und bekommt durch die handschriftlichen und meist kurzen Texte unter den Barytabzügen ein Gespür für die einzelnen Familienmitglieder. Man freut sich, die Kinder wachsen und wird fast ein wenig traurig, die Erwachsenen altern zu sehen.

Einige Porträts sind absurd wie die von Diane Arbus oder erinnern entfernt an die Arbeiten Roger Ballens, andere sind zum Schmunzeln – zum Beispiel, wenn der kleine Edgar in einer selbstgebauten Ritterrüstung aus Birkenrinde (!) seine Schwester verteidigen will und die nur grinsend daneben stehen kann. Auf den jüngsten Bildern von „My Country People“ fehlen die beiden dann, weil sie natürlich längst erwachsen und ausgezogen sind: Edgar lebt heute in Riga und Iveta in Italien. Zurück geblieben ist ihre Mutter Daina – die ist längst eine alte Frau, doch noch immer voller Stolz und Schönheit. Sofort will man mehr über sie erfahren, aber wer um die Wand zu den nächsten Arbeiten läuft, wird enttäuscht – weil es dort nicht weiter geht. Inta Ruka hat ihre Serie an dieser Stelle beendet und fast kommt es einem vor, als würde ein Roman, eine Familiensaga zu Ende gehen – vollkommen unspektakulär, aber dennoch sehr emotional. Stattdessen beginnt dort ihre aktuelle Serie „Amalias Street 5“. Auch hier braucht der Betrachter einige Bilder, um hinein zu kommen – und ist plötzlich mittendrin im Leben von Valentina, Igor und Natasha, dem jungen Mädchen mit der Löwenmähne.

Inta Ruka gehört zweifelsohne zu den humanistischen Vertretern unter den Fotografen, und würde es eine Neuauflage der Family of Man-Ausstellung geben – Inta Rukas einfühlsame Landzeitdokumentationen wären garantiert dabei.