Wenn es um die „Entdeckung“ der künstlerischen Farbfotografie geht, fallen meist die drei immer gleichen Namen: William Eggleston, Joel Meyerowitz und Stephen Shore. In der legendären Publikation „The New Color Photography“ von Sally Eauclaire aus dem Jahr 1981, zu der es auch eine Ausstellung im International Center of Photography (ICP) in New York gab, waren selbstredend noch weitere Fotografen wie Joel Sternfeld, Mitch Epstein, Joe Maloney, John Pfahl, David Hockney sowie der das Titelbild beisteuernde und heute in Vergessenheit geratene Langdon Clay versammelt.
Bedauerlicherweise nicht dabei war damals der belgische Fotograf Harry Gruyaert, der als einer der ersten „ernsthaften“ europäischen Fotografen bereits Ende der 1960er Jahre damit begann, in Farbe zu fotografieren und der bis heute eng mit diesem Label in Verbindung gebracht wird.
Die Kunsthalle Helmond hat Harry Gruyaert die erste Retrospektive in den Niederlanden ausgerichtet und sie zeigt, dass die Farbe bei Gruyaert nicht einfach nur ein Gestaltungselement, sondern meist der Protagonist in den Fotos ist. Gruyaert fotografiert nicht eine Situation und versucht, die Farbe in dieses Bild zu integrieren – die Farbe IST das Bild und der Grund, warum er es überhaupt aufnimmt. „Farbe ist physischer als Schwarzweiß, sie ist intellektueller und abstrakter. Wenn du Schwarzweiß fotografierst, willst du meistens wissen, was da gerade zwischen den Gegenständen vor sich geht. Mit Farbe wirst du unmittelbar von den verschiedenen Schattierungen und Abstufungen, die eine Situation ausdrücken, beeinflusst.“
Damit steht er in Opposition zu den traditonellen Fotografen jener Zeit, die sich – teilweise vehement – gegen die Farbfotografie ausgesprochen haben. Walker Evans bezeichnete sie 1969 als vulgär und der Werbe- und Amateurfotografie vorbehalten und ich kenne auch heute noch einige Fotografen und Sammler, für die die wahre Fotografie Schwarzweiß ist – wie beispielsweise die beiden Sammler Christian Skrein und Michael Schupmann.
Ich selbst war hingegen vollkommen begeistert von den Aufnahmen des Magnum-Fotografen Harry Gruyaert und kann auch seine Fotobücher Harry Gruyaert und Edges nur wärmstens empfehlen. Meine Besprechung der Ausstellung wurde in der Photonews veröffentlicht und gibt es hier als PDF.
Links: Kunsthalle Helmond, Harry Gruyaert bei Magnum