Eine Stärke der Fotografie liegt unter anderem darin, dass sie dem Betrachter Dinge, Zustände und Ereignisse zeigen kann, die er sonst niemals zu sehen bekäme. Die Kriegsfotografie und die Aufnahmen der Apollo-Missionen zählen da sicherlich zu den drastischten Genres.

Weit weniger spektakulär, aber dennoch ungewöhnlich sind hingegen die Arbeiten von Silvio Maraini. Der Schweizer hat sich in die unterirdischen Wasserbehälter seiner Heimat begeben, um ihre mitunter abstrakte, erhabene Architektur, die auch an Kirchen und Tempel oder an verlassene U-Bahn-Stationen erinnern, zu dokumentieren. Viel Zeit blieb ihm dabei freilich nicht, schließlich konnte er die „Gefluteten Kathedralen“, wie er auch sein Buch genannt hat, nur fotografieren, wenn das Wasser fehlte. Und das ist genau an einem Tag im Jahr der Fall, wenn die Behälter, die zwischen 330 und 14.000 Kubikmeter Wasser aufnehmen, geleert und gereinigt werden. Für seine Aufnahmen blieben ihm dann meist nur wenige Minuten.

Entstanden sind in dieser Zeit aber wunderbare Architekturaufnahmen von seltener Schönheit und mit einem fast spirituellen Charakter – irgendwie ist es ein schöner Gedanke, dass unser Trinkwasser und damit unser Lebenselixier in so überwältigenden Räumen zu Hause ist. Oder, um es mit den Worten Benedikt Loderers, der das Vorwort verfasst hat, zu sagen: „Später, nach der nächsten Eiszeit, werden Archäologen diese noch unversehrten Grabkammern finden und über den Kult rätseln, der hier stattfand.“

Erschienen ist „Geflutete Kathedralen“ im Benteli Verlag. Das Buch zeigt 56 Fotografien auf 112 Seiten und kostet 38 Euro.

Link: Benteli