In Philip Roths Meisterwerk „Der menschliche Makel“ lässt der Autor seine Figur Faunia am Ende erklären, was es mit dem Romantitel auf sich hat. Dabei geht es um die Prägung, die ein wildes Tier durch die Berührung und den Umgang mit Menschen davonträgt. „Die Berührung durch uns Menschen hinterlässt einen Makel, ein Zeichen, einen Abdruck. Unreinheit, Grausamkeit, Missbrauch, Irrtum, Ausscheidung, Samen – der Makel ist untrennbar mit dem Dasein verbunden.“

In etwa so verhält es sich auch mit der neuen Fotoserie „Die Deutschen des 21. Jahrhunderts“ des italienischen Werbefotografen Oliviero Toscani, die aktuell auf dem Neumarkt in Köln zu sehen ist. Wie unschwer am Titel zu erkennen ist, orientiert sich Toscani damit an einem der wichtigsten Werke der Fotografiegeschichte überhaupt: „Menschen des 20. Jahrhunderts“ von August Sander. Doch was der Öffentlichkeit als Hommage verkauft werden soll, ist in Wirklichkeit bloß eine Art von kultureller Aneignung. Eine weitverbreitete, aber auch besonders widerliche Form, denn sie gibt vor, das Original zu würdigen, obwohl sie es bloß zu eigenen Zwecken missbraucht. Toscani zitiert nicht Sander, sondern bloß sich selbst, denn er verwendet die gleichen Mechanismen, die er bereits vor 40 Jahren für seine Benetton-Werbung genutzt hat. Er braucht aber den Deckmantel der Kunst, um sich selbst aufzuzwerten. Das ist der werblicher Makel an seiner Arbeit.

Meine vollständige Besprechung ist im Kölner Stadt-Anzeiger erschienen.