Dokumentarischer ist das Diplom „Sifir Alti Ankara“ von Lale Çakmak. Darin beschäftigt sich Çakmak mit der türkischen Hauptstadt Ankara, in der auch ihre Eltern lebten, bevor sie nach Deutschland auswanderten. Ihre Motivation für diese Serie zieht die 1974 in Grevenbroich geborene Çakmak aus einer persönlichen Faszination für das Urbane sowie aus zahlreichen Kindheitserinnerungen – schließlich verbrachte sie zahlreiche Sommerurlaube in der Millionenmetropole.

Ihr Dilpom ist aufgebaut als Reise vom Zentrum bis zur Peripherie – immerhin ist Ankara mit etwa 2500 Quadratkilometern fast dreimal so groß wie Berlin. Wie eine Fremde schlendert und fährt sie mit ihrer Mittelformatkamera durch die Stadt. Ihr dokumentarischer Stil wirkt für eine Fotografin mit Wurzeln in der Stadt zwar fast ernüchternd, spiegelt aber auch ein wenig ihre Ambivalenz und Distanziertheit wider. Auch der Titel ist ein Hinweis dafür – „Sifir Alti“ beudetet „Null Sechs“ und steht für das Autokennzeichen Ankaras. Dennoch ist ihr Blick alles andere als lieblos, höchstens geprägt von einer „stillen Melancholie“, wie sie es selbst nennt. Sie fotografiert kleine Kätzchen an den Mülltüten am Straßenrand, Busbahnhöfe und mobile Fotoboxen, modern gekleidete Jugendliche und gelangweilte Schulkinder, und ganz zum Schluss einen Kangal, den türkischsten aller Hunderassen. Aber er sieht nicht stolz und stark aus, eher aussätzig und trabt wie geprügelt durch die karge Landschaft und aus dem Bild.

Zuletzt habe ich noch viel Zeit mit dem Diplom Arbeit, Einheit, Wachsamkeit von Malte Wandel verbracht. Er hat sich eingehend mit dem hierzulande kaum beachteten Phänomen der „Madgermanes“ in Mosambik beschäftigt – wobei „Madgermanes“ wahlweise als „die wütenden Deutschen“ oder auch neutraler als „die, die in Deutschland waren“ übersetzt werden kann. Fakt ist jedenfalls, dass Mosambik in den 80er Jahren 16.000 Vertragsarbeiter in die DDR geschickt hat. Für die hätte die Arbeit in Europa wirtschaftlich lukrativ sein können – hätte man ihnen nicht bis zu 60 Prozent ihres Einkommens abgezogen. Die eingeflogenen Mosambikaner arbeiteten, ohne es zu wissen, die Schulden ihres Landes bei der DDR ab: Weil Mosambik die von der DDR gelieferten Maschinen und Industrieanlagen nicht bezahlen konnte, mussten ihre Madgermanes mit ihrer Arbeit für einen Ausgleich auf den Verrechnungskonten sorgen. Eine Art staatlich organisierter Menschenhandel also.

Seit dem Zusammenbruch der DDR fordern die Madgermanes ihre Abzüge zurück und leben derweil meist in großer Armut. Drei Monate lang ist Malte Wandel (Jahrgang 1982) durch alle Provinzen Mosambiks gereist, hat dabei 400 ehemalige Vertragsarbeiter kennengelernt und 40 von ihnen interviewt und porträtiert. Zusammen mit Bildmaterial vom Land und den Städten hat er ein eindrucksvolles Buch zusammengestellt, das mal merkwürdig verträumt und inszeniert, dann wieder wie eine reine Dokumentation daher kommt. Ständig stolpert der Betrachter über Andenken und Mitbringsel aus der DDR – sei es die Fahne an der Wand der Lehmhütte, Schals, Schlüsselanhänger oder Aufkleber auf der Windschutzscheibe eines Autos. Und manchmal glaubt man die schwarz-rot-goldene Farbkombination sogar dort zu sehen, wo sie vielleicht gar nicht gewollt war.