Heute stelle ich ein bereits zwei Jahre altes, aber erst jetzt von mir entdecktes, außergewöhnliches Buch vor – außergewöhnlich deshalb, weil es eigentlich ein Comic ist. Allerdings ganz besonders gestaltet, denn er erzählt nicht nur die Geschichte des Fotografen Didier Lefèvre, der 1986 ein Team von „Ärzte ohne Grenzen“ nach Afghanistan begleitet, sondern es zeigt auch seine Fotografien, chronologisch eingebettet in die Handlung, so dass der Betrachter und Leser seine Fotos an der Stelle sieht, an der er sie auch gemacht hat. Alles, was er erlebt, aber nicht fotografiert hat, wurde von Emmanuel Guibert gezeichnet, was meine Meinung nach eine simple und doch geniale Art ist, Fotoreportagen zu präsentieren – besonders, wenn ich an die zahlreichen mit Musik und Kommentar unterlegten Slideshows denke, die sich Fotografen heutzutage ausdenken. Natürlich ist ein Comic ungleich aufwändiger, und es funktioniert auch nicht überall so gut wie in der Triologie „Der Fotograf“ – aber es zeigt auf, was möglich ist, wenn man unorthodoxe Wege einschlägt.

Die Geschichte selbst ist eine Art Tagebuch – nicht von ungefähr hat es mich sogar ein wenig an Black Passport von Stanley Greene erinnert, wenngleich es vollkommen unterschiedlich ist. Gemein haben beide die visuelle Kraft und den sehr persönlichen, erzählerischen Eindruck, der vermittelt wird. Beides sind Tagebücher von Kriegs- und Krisenfotografen, die dem Betrachter an ihrem Erlebten Teil haben lassen. In weiten Teilen wird der Leser von der einfachen, aber spannenden Geschichten vereinahmt, die Fotografien selbst treten in den Hintergrund und sind meist auch gar nicht sonderlich aufregend oder außergewöhnlich. Durch die Kombination aus Zeichnung und Fotografie wird der Leser aber immer wieder zurück auf den Boden der Tatsachen geholt: Das ist eine wahre Geschichte. Denn so, wie man sich heutzutage viele Fotografien anschaut und gleichzeitig weiß, dass sie niemals die ganze Wahrheit sagen, so wird dieses Phänomen hier quasi umgedreht: Die Bilder sind „echter“ als die Wirklichkeit, weil die ja nur gezeichnet ist.

Wirklich gute Fotografien habe ich – zumindest in Band 1 – hingegen selten gesehen. Meistens sind sie auch sehr klein präsentiert, so dass sie sich der Größe der einzelnen Zeichnungen anpassen. Wirklich gute, ja: großartige Bilder bekommen dann hingegen ihren ganz speziellen Raum zugesprochen und werden dann sogar halbseitig präsentiert, wie ihr im unten gezeigten Beispiel der drei aufeinander folgenden Seiten sehen könnt. Das mag man bemängeln, aber unterm Strich ist es eben authentisch, da man tatsächlich eine autobiografische Geschichte erzählt bekommt – und im richtigen Leben ist nun einmal nicht jeder Schuss ein Treffer.

„Der Fotograf“ ist als Trilogie bei Edition Moderne erschienen und kostet je Band 24 bzw 28 Euro.

Links: Edition Moderne