Es war unerträglich voll während der Vernissage zur Christer Strömholm-Ausstellung „Post Scriptum“ in der C/O Berlin. Vielleicht lag es an der gleichzeitig stattfindenden Fashion Week. Vielleicht lag es auch daran, dass es die letzte Ausstellung im alten Postfuhramt an der Oranienburger Straße sein wird, bevor die C/O ins Amerika-Haus nach Charlottenburg zieht. Vielleicht lag es aber auch schlicht und ergreifend an den Fotografien selbst – schließlich ist es die erste Retrospektive des Schweden in Deutschland. Der ist hierzulande zwar noch immer eher unbekannt – aber vielleicht ändert sich das ja nun ein wenig. Verdient hätte er es jedenfalls.

Gleich zu Beginn wird der Besucher mit einem Zitat konfrontiert, das einen wesentlichen Aspekt seiner (und wahrscheinlich der meisten) Fotografien anspricht: „Mit dem fotografischen Bild zu arbeiten, ist meine Art zu leben. Wenn ich nachdenke und meine Bilder genau betrachte, so sind sie alle – und jedes für sich – nichts anderes als Selbstporträts, ein Teil meines Lebens.“ Nun muss dieses Leben sehr aufregend, unkonventionell und geprägt gewesen sein von Liebe für die Außenseiter und Andersartigen in unserer Gesellschaft, für das Weiche im Harten und das Harte im Weichen. Wenn sich bei Strömholm ein Paar küsst, dann zeigt er eine Detailaufnahme der Münder und Nasen, die zu abstrakten Fleischskulpturen werden. Wenn er Kinder fotografiert, dann sind sie schmutzig und zerzaust und tragen Damenhandtaschen, während sie misstrauisch bis linkisch in die Kamera blicken. Und wenn er ein kleines Kätzchen fotografiert, dann wird es von einer Männerhand am Pelz gepackt, streckt die Pfoten und die Krallen von sich und faucht den Betrachter an, dass der nicht weiß, ob er Mitleid mit oder Angst vor diesem Teufelsvieh haben soll.

Und das sind nur die konventionellen Motive. Einen wichtigen Teil seiner fotografischen Karriere hat er sich eben mit den Outsidern der Gesellschaft beschäftigt. Er hat die Transsexuellen und Varietékünstler in den Amüsiervierteln Paris‘ und entstellte Kriegsopfer wie das blinde Mädchen in Hiroshima fotografiert. Strömholm selbst wirkt dabei manchmal wie der Junge auf einem seiner Bilder, der staunend und mit leicht offenem Mund vor einer Bühne in Pigalle steht und auf das dortige Treiben starrt.

Viel wichtiger als das WAS ist jedoch WIE Strömholm fotografiert hat. Seine Fotografien sind extrem subjektiv und gaukeln auch keine Objektivität vor. Kein Wunder also, dass er Teil der Fotogruppe „fotoform“ um Otto Steinert wurde. Mich erinnern seine Aufnahmen aber auch an die radikale Herangehensweise der Nachkriegsfotografen aus Japan, allen voran Shômei Tômatsu. Allerdings habe ich bislang keinen Hinweis auf eine Verbindung entdecken können. Sicher ist jedoch, dass Strömholm selbst mit seiner 1960 gegründeten „Fotoskolan“ nachfolgende Fotografen beeinflusst hat – der Bekannteste dürfte Anders Petersen sein.

 

Die Ausstellung „Post Scriptum“ ist noch bis zum 8. März zu sehen. Zur Ausstellung ist im Verlag Max Ström ein Katalog erschienen, außerdem möchte ich noch auf das erst 2011 erneut bei Aman Iman Éditions veröffentlichte „Les Amis De Place Blanche“ hinweisen.

Link: C/O Berlin