Im Gespräch mit Markus Hartmann von Hatje Cantz hatte mir der Programmleiter von den besonderen „Bedingungen“ beim Druck des neuen Buches von Taryn Simon berichtet. Mittlerweile habe ich „Birds of the West Indies“ (440 Seiten, 68 Euro) vor mir liegen. Und ja, dass dieses Buch zu Problemen führt, kann ich mir gut denken – schließlich besteht es fast ausschließlich aus schwarzen Seiten, auf denen sich verhältnismäßig kleine Fotografien befinden – und die zeigen häufig Objekte vor einen tiefschwarzen Hintergrund.

Aber worum geht es in „Birds of the West Indies“ überhaupt? Die James-Bond-Experten unter euch erahnen es bestimmt schon: Als Ian Fleming 1951 auf Jamaika saß und an „Casino Royale“ schrieb, brauchte er einen Namen für seine Hauptfigur. Dabei fiel ihm das Buch „Birds of the West Indies“ in die Hände, das bis heute gültige Standardwerk über die karibische Vogelwelt, geschrieben von dem Ornithologen James Bond. Diesen Namen fand Fleming so alltäglich und farblos, kurz und typisch britisch, dass er in für seinen neu geschaffenen Spion nutzte.

Taryn Simon ist mit ihrem aktuell Projekt dem Phänomen James Bond auf den Grund gegangen und hat, ausgehend von dem Vogelkundebuch, ebenfalls eine Art visuelle Datenbank des 007-Universums geschaffen. Darin zeigt sie uns die für Bond wichtigsten und in allen Filmen zwischen 1962 und 2012 auftauchenden Elemente: Frauen, Waffen und Fahrzeuge. Der Betrachter von James-Bond-Filmen verlangt jedes Mal nach etwas Neuem – aber nur, wenn die grundsätzlichen Dinge die gleichen bleiben.

So hat Simon die Autos und die Spezialwaffen wie das Gebiss des Beißers, den Hut von Oddjob und das Hasselblad Kamera-Gewehr genauso fotografiert wie die zahlreichen Frauen aus den Filmen. Bis auf zehn der 57 Angefragten haben auch alle mitgemacht – Sophie Marceau ist dabei, ebenfalls Grace Jones, Denise Richards oder Honor Blackman alias Pussy Galore aus Goldfinger.  Sie alle sind vor dem gleichen, langweiligen Hintergrund fotografiert – für Simon sind sie bloß eine austauschbare und zugleich unverzichtbare Requisite. Die Waffen und Fahrzeuge erscheinen vor dem schwarzen Hintergrund hingegen wie Fetisch-Objekte.

Das berühmteste aller Bond-Girls, Ursula Andress alias Honey Ryder, hat allerdings nicht mitgemacht – wahrscheinlich, um den Mythos ihrer Figur aufrecht zu erhalten, schließlich ist die Zeit seit ihrem legendären Auftritt 1962 auch an ihr nicht spurlos vorbei gegangen. Im Buch ist sie dennoch vertreten: Simon hat ihren Platz durch ein schwarzes Rechteck besetzt, genauso wie bei den neun anderen Schauspielerinnen, die nicht dabei sein wollten. Durch diese Nicht-Präzens erhalten sie dennoch einen Platz – und sind vielleicht sogar präsenter als die vorhandenen Frauen, weil wir unser eigenes Bild von ihnen vor Augen haben.

Interessant ist zudem, dass einige Frauen gleich mehrfach auftauchen – entweder, weil sie beispielsweise Miss Moneypenny gespielt haben, oder weil sie in verschiedenen Filmen verschiedene Rollen eingenommen haben. Durch die zufällige Anordnung der Fotos kommt es so häufig zu Aha-Effekten nach dem Motto: Hab ich die nicht eben schon gesehen, oder bilde ich mir das bloß ein? Das hat Simon clever gelöst.

Eine ganz besondere Rolle spielt übrigens Nikki van der Zyl – sie lieh zwischen 1962 und 1979 mehr als einem Dutzend Haupt- und Nebendarstellerinnen in insgesamt neun Filmen ihre Stimme, unter anderem eben auch Ursula Andress. Gleichzeitig blieb sie selbst aber immer unsichtbar – und wurde angeblich auch nicht im Abspann genannt. Simon widmet ihr ein eigenes Mini-Kapitel, das aus einer einzigen Seite besteht, auf der sie allerdings gleich mit zwei Fotos vertreten ist.

Diese extrem konzeptionelle Arbeit hat ihren inhaltlichen und visuellen Reiz, ist sehr verkopft und durchdacht, einfach und aufwändig zugleich, wirft aber auch Fragen auf. Wo sind beispielsweise die ganzen Bösewichte und Gegenspieler James Bonds, die genauso zum immer wiederkehrenden Repertoire gehören wie Frauen, Waffen und Fahrzeuge? Hat Simon auf sie verzichtet, weil sie in ihren Augen nicht „sexy“ genug sind, weil sie nicht zu den ihrer Meinung nach männlichen Phantasiewelten passen? Oder machte es einfach zu viel Mühe, noch mehr Schauspieler von der Teilnahme an ihrem Projekt zu überzeugen? Wir erfahren es nicht. Das ist schade. Außergewöhnlich ist „Birds of the West Indies“ aber auch so.

Link: Hatje Cantz