„Kleider machen Leute“ heißt es im Volksmund. Dabei meint der Satz weniger, was die Kleidung selbst aussagt, sondern vor allem, was sie ganz konkret aus dem Menschen macht, der sie trägt.
Herlinde Koelbl hat sich diesem Phänomen fotografisch genähert und somit den Fotobeweis für eine scheinbare Binsenweisheit geliefert, weil sie Menschen sowohl in ihrer beruflichen Uniform als auch im privaten Wohlfühl-Outfit abgelichtet hat. Zudem unterstreichen kurze Statements der Fotografierten, was man auf den Fotos sehen kann: Die Kleidung gibt ihnen Halt, verändert ihre Körperhaltung, den Gang und sogar die Mimik – und somit die gesamte Ausstrahlung. Dabei spielt es fast keine Rolle, ob man die Uniform von McDonald’s oder die des Generalinspekteurs der Luftwaffe trägt.
Beim privaten Outfit verändert sich das ganz schnell – man präsentiert sich betont leger und meist lächeln die Abgebildeten dann auch. Wobei dieses Lächeln nicht falsch interpretiert werden darf. Auch bei unserem Paareprojekt ist Nadine und mir die starke Tendenz der Teilnehmer zum Lächeln aufgefallen. Andersherum kann man aber auch sagen, dass man nicht lächeln muss (oder darf?), wenn man in der Berufskleidung und somit in der seriösen und klar definierten Berufsrolle steckt. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was Koelbl beobachtet hat: „Fast allen Menschen fiel es wesentlich leichter, sich in ihrer Uniform zu präsentieren, als nur sie selbst zu sein.“ Umso wichtiger, dass Koelbl ihnen keine Anweisungen gab.
Was ich allerdings nicht ganz verstehen kann, ist die meiner Meinung nach viel zu unruhige und verspielte Gestaltung des Buches. Über den wechselnden und sehr nachlässigen Hintergrund der Bilder kann ich ja gerne hinweg sehen, aber wenn man Wert auf ein vergleichendes Sehen legt, sollte man dem Betrachter auch die Möglichkeit dazu bieten. Wie man in der Ausstellungsansicht erkennt, werden die Bilder dort auch zumindest als Bild-Paar gleichwertig behandelt. Warum im Buch hin und wieder das Berufs-Bild groß und das Privat-Bild fast winzig gezeigt wird, und warum Koelbl zwei verschiedene Anschnitte (Ganzkörperporträt und amerikanische Einstellung) wählt, erschließt sich mir leider nicht (Hatje Cantz, 232 Seiten, 39,80 Euro).
Link: Hatje Cantz
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Herline Koelbl: „Kleider machen Leute“ – Cover
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Herlinde Koelbl: Kanae Asakusa, Geisha, Japan“ – „Wenn ich meinen Kimono anziehe, werde ich innerlich ruhig. Meine Haltung verändert sich, ich gehe und sitze aufrechter, bewege mich langsamer. Die Stimme wird leiser, sanfter. Das geschieht von ganz alleine. Die Wörter werden freundlicher, ich spreche in der ehrerbietigsten Höflichkeitsform. Demütig zu sein fällt mir leicht. Dem Kunden Freude zu bereiten, das Lächeln, das Künstlerische sind wichtige Fähigkeiten einer Geisha. Wenn die Geschäftsmänner zusammen trinken gehen, ist es meine Aufgabe, sie bei guter Laune zu halten. Verträge werden dann leichter geschlossen. Als Geisha bin ich selbstbewusster, privat bin ich eher schüchtern. In meiner Alltagskleidung laufen die Leute an mir vorbei, ich bin eine von vielen. Aber in meinem Kostüm werde ich beachtet. Der Kimono ist die beste Uniform für eine japanische Frau.“ – aus „Kleider machen Leute“
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Herlinde Koelbl: Kanae Asakusa, Geisha, Japan“ – „Wenn ich meinen Kimono anziehe, werde ich innerlich ruhig. Meine Haltung verändert sich, ich gehe und sitze aufrechter, bewege mich langsamer. Die Stimme wird leiser, sanfter. Das geschieht von ganz alleine. Die Wörter werden freundlicher, ich spreche in der ehrerbietigsten Höflichkeitsform. Demütig zu sein fällt mir leicht. Dem Kunden Freude zu bereiten, das Lächeln, das Künstlerische sind wichtige Fähigkeiten einer Geisha. Wenn die Geschäftsmänner zusammen trinken gehen, ist es meine Aufgabe, sie bei guter Laune zu halten. Verträge werden dann leichter geschlossen. Als Geisha bin ich selbstbewusster, privat bin ich eher schüchtern. In meiner Alltagskleidung laufen die Leute an mir vorbei, ich bin eine von vielen. Aber in meinem Kostüm werde ich beachtet. Der Kimono ist die beste Uniform für eine japanische Frau.“ – aus „Kleider machen Leute“
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Herlinde Koelbl: „Gerhard Ludwig Müller, Bischof, Deutschland“ – „Als ich zum ersten Mal das Priestergewand trug, war ich am Ziel meiner Wünsche angekommen. Am Anfang war ich noch ein bisschen ungelenk in der Soutane, weil man es nicht gewohnt ist, in so langen Kleidern zu gehen, das müssen wir als »Hosenträger« erst lernen. Auch musste ich mich erst daran gewöhnen, dass mich die Menschen im Bischofskleid nicht als Privatperson sehen, sondern als Priester. Die Priesterkleidung mit entsprechendem Kragen ist wichtig, weil sich darin eine Lebensentscheidung zeigt. In ihr habe ich bewusst mehr Haltung und einen aufrechten Gang. Zu Hause am Abend trage ich gerne bequeme Kleidung, am liebsten einen Trainingsanzug. Er ist leger und muss nicht gebügelt werden. So ist alles ein bisschen lockerer. Und am Hals ist es offener und angenehmer als der steife Priesterkragen. Der ist zwar schön, aber nicht bequem.“ – aus der Serie „Kleider machen Leute“
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Herlinde Koelbl: „Gerhard Ludwig Müller, Bischof, Deutschland“ – „Als ich zum ersten Mal das Priestergewand trug, war ich am Ziel meiner Wünsche angekommen. Am Anfang war ich noch ein bisschen ungelenk in der Soutane, weil man es nicht gewohnt ist, in so langen Kleidern zu gehen, das müssen wir als »Hosenträger« erst lernen. Auch musste ich mich erst daran gewöhnen, dass mich die Menschen im Bischofskleid nicht als Privatperson sehen, sondern als Priester. Die Priesterkleidung mit entsprechendem Kragen ist wichtig, weil sich darin eine Lebensentscheidung zeigt. In ihr habe ich bewusst mehr Haltung und einen aufrechten Gang. Zu Hause am Abend trage ich gerne bequeme Kleidung, am liebsten einen Trainingsanzug. Er ist leger und muss nicht gebügelt werden. So ist alles ein bisschen lockerer. Und am Hals ist es offener und angenehmer als der steife Priesterkragen. Der ist zwar schön, aber nicht bequem.“ – aus der Serie „Kleider machen Leute“
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Herlinde Koelbl: „Kleider machen Leute“ – Buchansicht
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Herlinde Koelbl: „Kleider machen Leute“ – Buchansicht
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Herlinde Koelbl: „Kleider machen Leute“ – Installationsansicht