Ich weiß gar nicht mehr genau, wie ich auf das Buch des Niederländers Jeroen Toirkens gestoßen bin – wahrscheinlich habe ich mich mal wieder irgendwo im Internet verloren, bin Kommentaren gefolgt und habe Links angeklickt und bin so schließlich irgendwie bei „Nomad“ gelandet. Die Abbildungen auf der für dieses Projekt eingerichteten Homepage haben mich schnell begeistert, so dass ich das Buch direkt bei Toirkens selbst bestellt habe. Als es mich dann aus verschiedenen Gründen erst nach ein paar Wochen erreichte, hatte ich das Projekt schon fast wieder vergessen, doch beim ersten „Durchlesen“ war die Euphorie sofort wieder da.

Aber der Reihe nach: Zwölf Jahre lang hat Toirkens nomadisch lebende Völker in der nördlichen Hemisphäre besucht und begleitet. Angefangen hat er 1999 bei den Yörük in der Türkei und war seit dem in Nordafrika, Asien, Nordeuropa, Grönland und Alaska unterwegs. Zu Beginn seiner Reise fragte sich Toirkens oft, wie das zukünftige Nomadenleben im 21. Jahrhundert aussehen werde. Zwölf Jahre später habe er noch immer keine Antworten gefunden, schreibt er. Dafür hat er aber zahlreiche Fotos mitgebracht – umwerfende, starke, nüchterne und emotionale, simple und vielschichtige Fotos, mit denen er es schafft, weder in die eine noch in die andere Klischee-Falle zu tappen. Toirkens zeigt die Völker weder in einem romantisierend-kitschigen Licht, noch zeichnet er ein düsteres Untergangsszenario dieser vermeintlich guten, weil ursprünglichen Kulturen. Toirkens zeigt die Nomaden im Hier und Jetzt – und somit zwischen Tradition und Moderne.

Bereits das Cover-Motiv weist subtil darauf hin: Ein Zelt, ein sogenanntes Lávvu, steht da in der Schneelandschaft Fennoskandinaviens – und direkt daneben ragt eine Straßenlaterne in den Himmel, während sich im Hintergrund gerade noch erkennbar die weiße Silhouette einer Stadt abzeichnet. Und im Inneren des Buches wird der Betrachter als erstes von einer jungen Frau (vielleicht ist es sogar noch ein Mädchen) begrüßt: Sie trägt Jeans und ein T-Shirt und sitzt, irgendwo in der unendlichen Weite der Mongolei, auf einem Motorrad, auf dessen Sitz ein alter Teppich liegt. Sie scheint losfahren zu wollen, aber ihr konzentrierter Blick ist nach hinten gerichtet. Im Vordergrund deuten eine große Metallkanne sowie drei alte Plastikkanister auf ein einfaches und beschwerliches Leben hin. Wer umblättert, so wird suggeriert, bekommt zu sehen, was sie sieht: Eine einsame, schneebedeckte Straße, so trostlos und verträumt, als hätte sie Todd Hido für seine Serie „A Road Divided“ fotografiert.

Solche und ähnliche Aufnahmen gibt es viele in dem Buch. Ergänzt werden sie um intensive Momentaufnahmen, Porträts, Landschaften und Stillleben – mal in Farbe, mal in Schwarzweiß, immer aber hervorragend gestaltet und bisweilen mit fast surrealem Einschlag. Doch so gut die meisten Einzelaufnahmen sind – erst im Zusammenspiel und in der Reihenfolge entfalten sie ihre volle Wirkung und beweisen, dass ein gutes Fotobuch einfach deutlich mehr ist als die Summe seiner einzelnen Aufnahmen.

Erschienen ist „Nomad“ (208 Seiten, 150 Abbildungen) im Verlag Lannoo.

Link: NomadsLife