Ich kann nicht behaupten, dass ich ein großer Walter Kempowski-Kenner wäre. Aber ich habe immerhin sein Tagebuch Sirius aus dem Jahr 1983 gelesen – und ich war von der ersten Seite an begeistert. Seine Beobachtungsgabe für das Alltägliche einerseits und das gesellschaftlich-politische Geschehen andererseits vermischt sich darin mit seiner beißenden Kritik, viel Sinn für Humor und vor allem Ironie und seinem Hang zum Absurdem.

Zwangsläufig beschäftigt man sich als Leser aber auch mit dem ungewöhnlichen Wohnhaus im norddeutschen Nartum, schließlich lebte und arbeitete Kempowski da nicht nur, sondern empfing offensichtlich fast täglich Gäste – „Freunde, Journalisten, Literaturstudenten“, wie er schrieb. Aber auch Musiker wie Gabriele Kostas, die im „Haus Kreienhoop“ Konzerte gaben. Kostas war von dem Haus offensichtlich genauso fasziniert wie ich beim Lesen darüber, so dass sie wiederkam und es fotografierte. Und obwohl ihre Bilder formal betrachtet einige Mängel aufweisen, transportieren sie doch gleichzeitig sehr gut das Gefühl, das dieser lichtdurchflutete Ort ausstrahlen muss. Geschickt nutzt Kostas Ein-, Aus- und Durchblicke und spielt mit den Spiegelungen und Reflexionen, so dass man sehr aufmerksam schauen muss, um Wände, Spiegel und Ebenen überhaupt auseinanderhalten zu können. Hin und wieder streut sie sehr gut passende Zitate Kempowskis, die sein eigenes enges und intensives Interesse an seinem Haus zum Ausdruck bringen.

Insgesamt ist „Das Haus der Kempowskis“, erschienen im Hatje Cantz Verlag (128 Seiten, 35 Euro), aus Fotobuchsammler-Sicht zwar eher simpel gestaltet und verstrahlt optisch den 08/15-Charme eines Cewe-Fotobuchs vom letzten Toskana-Urlaub. Dennoch erhält es von mir eine Empfehlung, weil es eine subjektive Bestandsaufnahme eines großen deutschen Literatenhaushaltes ist und Gabriele Kostas liebevoll und mit einfachen Mitteln, aber ohne falschen Pathos dem Phänomen des „Frei-Offenen“ des Hauses von Walter Kempowski und seiner Frau Hildegard ein kleines, fotografisches Denkmal setzt.

Links: Hatje Cantz, Kempowski Stiftung Haus Kreienhoop