„Paloma al aire“ ist ein merkwürdiges Fotobuch. Es ist klein, spiralgebunden und bunt. Nein, nicht das Buch ist bunt, sondern das, was es zeigt: Bunt angemalte Tauben. Bereits auf dem Cover flattern sie vor einem weißen Himmel wild durcheinander. Und dann ist da noch dieses eiförmig ausgeschnitte Loch, durch das man auf ein Altherrengesicht blickt. Oder blickt es auf uns?

So oder so: Das Buch des Spaniers Ricardo Cases machte mich neugierig – und ich wurde auch im Inneren nicht enttäuscht. Denn Cases hat mit seiner Kamera ein merkwürdiges Hobby der mallorquinischen Taubenzüchter festgehalten. Während Taubenzüchter ihre Tiere normalerweise an entfernten Orten aussetzen, damit sie nach Hause fliegen, veranstaltet man auf Mallorca während der Saison etwa zweimal die Woche eine Art Rennen der Macho-Täuberiche. Dazu werden ein Taubenweibchen sowie zahlreiche Täuberiche gen Himmel geschickt. „Buchona Española“ nennt sich diese Rasse, die vor allem auf ein starkes Balzverhalten hin gezüchtet wurde – man kann also quasi von den Sex-Täubchen Mallorcas sprechen. Sinn und Zweck dieses Wettbewerbes ist es nämlich, dass die Männchen die Taube begatten – natürlich unter strenger Beobachtung ihrer Besitzer und des Schiedsrichters. Jede Minute, die ein Täuberich mit dem Weibchen verbringt, zählt. Am Ende werden die Minuten addiert, und der Sieger steht fest. Die bunten Farben auf der Flügeloberseite dienen also dazu, die Tiere eindeutig identifizieren zu können.

Diese Mischung aus männlichem Potenzgehabe und schrillbunter Bemalung hat Cases in seinen poetischen und gleichzeitig völlig absurden Bildern festgehalten: Es wirkt einfach urkomisch, dass Männer im Rentenalter beim Einsammeln ihrer karnevalesken Tauben wie kleine Jungs auf Bäume, Mauern oder Balkone klettern. Dass sie dabei selbst in taubenblauen Trainingsanzügen stecken, setzt dem Ganzen zusätzlich die Krone auf.

Sehr gut gefällt mir aber auch die Aufmachung des simplen Buches mit der Spiralbindung. Zum einen erhält es dadurch einen Notizbuchcharakter, zum anderen sorgt die brutale Lücke zwischen den Bildern häufig für neue und interessante Bildausschnitte (Photovision 2011 via Schaden.com, 22 Euro).

Link: Ricardo Cases