Nach Sternstunden des Glamour im Museum Ludwig wurde am Freitag die Ausstellung „Zeitgeist und Glamour“ im NRW-Forum Düsseldorf eröffnet. Beabsichtigt war diese Parallelität nicht, ermöglicht dem interessierten Besucher jedoch, sich intensiver mit den Themen Starkult und Mode zu beschäftigen, denn „Zeitgeist und Glamour“ setzt zeitlich da an, wo die Kölner Ausstellung aufhört: Gezeigt werden in Düsseldorf über 400 Fotografien aus der „Nicola Erni Collection„, die mehr oder weniger unter der Klammer des Jet-Sets der 1960er und 70er Jahre zusammengehalten werden.

Inhaltlich gehen die beiden Ausstellungen allerdings vollkommen andere Wege: Ruhig, sachlich und bescheiden punktet das Museum Ludwig mit den Schätzen aus seiner Fotografischen Sammlung, während das NRW-Forum fast ein wenig aufgeregt überwiegend B-Ware präsentiert – wenn auch aufwändig und sehr schön aufbereitet. Mit dabei sind unter anderem Arbeiten von Richard Avedon, David Bailey, Bert Stern, Jeanloup Sieff und Diane Arbus, Ron Galella, Edward Quinn, Milton Gendel, Fred W. McDarrah, Thomas Hoepker und Rudi Meisel. Wer mehr wissen möchte, kann sich meine ausführliche Besprechung, die heute bei artnet erschienen ist, hier durchlesen.

Nachtrag: Weil das Artnet-Magazin leider nicht mehr existiert, gibt es meinen Artikel nun hier.

 

„Prominenten raten“ spielen

Die Eröffnung von „Zeitgeist und Glamour“ glich ein wenig einer Galaveranstaltung – allerdings ohne Weltstars. Lediglich Jade Jagger, einzige Tochter von Mick und Bianca Jagger, schaute kurz vorbei, um sich vor der Pressewand mit dem markanten Sponsorenlogo ablichten zu lassen. Dafür hatten sich aber zahlreiche Besucher in Schale geworfen und wurden im Eingangsbereich vom Blitzlichtgewitter einer Paparazzi-Wandinstallation empfangen. Für eine Kunstausstellung ist ein solches Bohei eher ungewöhnlich – in diesem Fall aber doch irgendwie passend.

Denn zu sehen sind erstmals über 400 Exponate aus der Nicola Erni Collection. Die Schweizerin hat vor fünf Jahren einige Schwarzweiß-Fotografien zum Jetset von St. Moritz gekauft – und damit den Grundstein für ihrer heutige Sammlung gelegt. Ohne festes Konzept wuchs diese auf rund 1000 Arbeiten aus den 1960er und 70er Jahren an, und Erni fragte schließlich das NRW Forum, ob sie dort nicht ausstellen dürfe. Es ist ein Sammelsurium aus mitunter großartigen, meist jedoch weniger bekannten Modeaufnahmen und Star-Porträts von Richard Avedon, David Bailey, Bert Stern und Diane Arbus, seltenen Paparazzi-Trophäen von Ron Galella, Edward Quinn und Milton Gendel sowie einfachen Snapshots, das von Kuratorin Ira Stehmann und dem NRW-Forum in einer sehr schönen Clusterhängung gleichberechtigt präsentiert wird.

Schwarzeneggers intellektuelle Sprachlosigkeit

Dadurch, dass Erni nicht die ganz berühmten Aufnahmen sammelt, bekommt der Besucher auch nicht das zu sehen, was er ohnehin schon zur Genüge gesehen hat. Gleichzeitig birgt die Mischung aus Trivialem und Meisterhaftem, Alltäglichem und Besonderem Potential für eine spannende Gegenüberstellung, schließlich bedingt das eine immer auch das andere. Theoretisch. Denn leider will der Funken selten überspringen: Schnappschüsse bleiben Schnappschüsse, auch wenn Weltstars wie Alain Delon und Romy Schneider darauf zu sehen sind. Interessant wird es auf den Paparazzi-Bildern meist nur, wenn skurrile oder entblößende Momente eingefangen werden – Playboy Gunter Sachs war dafür ein dankbares Motiv, zum Beispiel beim Open-Air-Schachspiel gegen eine nur mit einem Stringtanga bekleidete junge Dame. Grotesk ist auch ein Bild Fred W. McDarrahs: Es zeigt Arnold Schwarzenegger zu Besuch in Andy Warhols Factory – die intellektuelle Sprachlosigkeit des Muskelprotz‘ wird durch die betont lässig in den Manteltaschen steckenden Hände unterstrichen.

Pop traf auf Pop jegliche Couleur: Künstler feierten mit Modemachern, Intellektuellen, Reichen, Schönen und Adeligen. Es war die Zeit des „Anything goes“ und der Rebellion – allerdings ist zumindest vom letzten nichts zu sehen. Die rebellischsten Bilder sind die einer inszenierten Kissenschlacht der Beatles in einem Hotelzimmer und das gewalttätigste vielleicht das, auf der Sonia Romanoff dem aufdringlichen Paparazzo Rino Barillari ihre Eistüte ins Gesicht drückt – wenn man von Andy Warhols zernarbtem Bauch, fotografiert von Richard Avedon, einmal absieht.

Die politisch-gesellschaftlichen Umwälzungen und die Protestbewegungen der 60er und 70er Jahre kommen in der Nicola Erni Collection ebenfalls nicht vor – sie seien „bewusst weggelassen“ worden, weil andere Ausstellungen diese Themen bereits zu genüge beleuchtet hätten. Ein wenig scheinen die Ausstellungsmacher ihr Gewissen aber doch beruhigen zu wollen und listen an einer Wand Begriffe wie „Nato-Doppelbeschluss“, „Ölkrise“ und „Räucherstäbchen“ auf – von den Düsseldorfer Vernissage-Besuchern bleiben sie weitgehend unbeachtet.

Die schwelgen lieber in Erinnerungen, spielen „Prominenten raten“ oder finden, wenn sie jünger sind, die Zeit damals „irgendwie cool“. Das betonte auch der Leiter des NRW Forums, Werner Lippert, während der Pressekonferenz. So seien die „Facebook-Freunde“ bei der Vorbesichtigung „restlos begeistert“ gewesen: „Die Generation 30 Minus fährt voll darauf ab.“

Zeitgeist & Glamour“, NRW-Forum, Düsseldorf. Vom 4. Februar bis 15. Mai 2011.

Links: NRW-Forum, Nicola Erni Collection