Das Buch „as we are“ von Just Loomis liegt bereits ein paar Wochen bei mir im Regel, und ich war mir nicht sicher, was ich davon halten soll. Zunächst befürchtete ich, dass es bloß wieder eines dieser Schein-Dokumentationen über das ach so trostlose Leben von Menschen am Rande der Gesellschaft ist, wie sie meiner Meinung nach zurzeit inflationär auf den Markt kommen. Gleichzeitig merkte ich, dass viele Bilder viel zu stark sind, um mit eben solchen Publikationen in einen Topf geworfen zu werden – das irritierte mich.

Also habe ich mir „as we are“ (Hatje Cantz-Verlag, 39,80 Euro) heute wieder vorgenommen – und muss schließlich zugeben, dass ich mich geirrt habe. Dem 1957 in Reno, Nevada, geborenen Just Loomis ist mit dem Buch tatsächlich ein großer Wurf gelungen, denn es ist eben nicht bloß ein kleiner Ausflug an die Prekariatsperipherie, von dem man abends mit abgefahrenen Fotos von betrunkenen Halbnackten nach Hause kommt. Der Porträt- und Modefotograf, der Assistent und Freund von Helmut Newton war, hat in den vergangenen vier Jahrzehnten immer auch an seinem eigenen, sehr erzählerischen Werk gearbeitet. Die 85 Aufnahmen zeugen von Direktheit und Zurückhaltung, vor allem aber von einer ganz merkwürdigen Mischung aus Ironie und Mitgefühl. Loomis ist nicht auf Sensationen aus, er sucht sich die ruhigen Momente, die aber dennoch viel über das Leben der Abgebildeten sagen – oder zumindest über die Sichtweise des Fotografen. Das merkt man vielleicht am deutlichsten bei seinen Bild von Pete. Der liegt mit vernarbtem Oberkörper und Modellgesicht auf dem Bett. Dass er gar keine Beine hat, fällt erst auf dem dritten Blick auf. Und das Porträt vom unbekannten Mann mit dem furchtbar entstellten Gesicht nennt Loomis fast romantisch „ein Tag am Strand“.

Kinder spielen ebenfalls eine große Rolle – mal sind sie nachdenklich und fast erschrocken, als würde schon auf den Teenagern eine große Last liegen, dann sind sie wieder leicht und verträumt und klettern auf Bäume. Wenn man sich daneben dann das Bild der Tänzerin Danielle aus Las Vegas anschaut, die halbnackt und mit dem Kopf nach unten ihre erotische Showeinlage an einer billigen Kleiderstange vollführt, ist das natürlich sehr zynisch: Was ist von der Unbeschwertheit der Kindheit geblieben? Und was ist aus dem Traum vom Fliegen geworden?

Ganz ähnlich das Schwarzweiß-Porträt von Mel, die in einem Diner in Hollywood arbeitet und die unter Garantie Schauspielerin ist oder es zumindest gerne wäre. Ihr Blick verrät aber etwas anderes. Dabei verwendet Loomis keine formalen Kunstgriffe – er stellt niemanden bloß, die Menschen behalten ihre Würde. Und das kann man ihm gar nicht hoch genug anrechnen.