Der Lette Ivars Gravljes hat als Fotoreporter für die tschechische Zeitung „Deník“ gearbeitet. Bevor er seine Bilder von Terminen rund um Prag in der Redaktion einreichte, manipulierte er jedoch Kleinigkeiten. Dabei ging es ihm nicht darum, die Bilder zu verschönern, indem er „störende“ Details entfernte. Im Gegenteil: Meistens fügte er unscheinbare und häufig auch unsinnige Details hinzu – dem Schriftsteller Zdeněk Mahler bastelte er drei zusätzliche Knöpfe auf sein Poloshirt und in einem Krankenzimmer waren später mehr Schalter an der Wand. Manchmal stellte er die Wirklichkeit aber auch so da, wie sie sein könnte, wenn er nur zu einem anderen Zeitpunkt dort gewesen wäre: Auf einem Foto von einer Autobahn baute er zusätzliche Pkw hinein – schließlich sollte er einen Stau fotografieren als gar kein Stau war.

Gravljes will den Manipulationen der Medien eine weitere Manipulation hinzufügen – jedoch ohne, dass die Medien diese selbst erkennen, denn während seiner Zeit bei der „Deník“ wurde er nie erwischt. Im Gegenteil: Weil Gravljes irgendwann genau wusste, welche Bilder bevorzugt genommen werden, konnte er sie entsprechend aufmotzen – bei einem Konzertfoto stempelte er mehr bunte Kreise in den Hintergrund und – zack – landete es sogar auf der Titelseite. Und weil auf dem Foto von Sänger José Carreras eine unschöne Hand ins Bild ragt, ließ Gravljes diese verschwinden – und mit ihr auch einen Finger Carreras. Offensichtlich bemerkten weder die Redaktion noch Leser diesen Fehler.

Mich erinnert Gravljes Arbeit „My Newspaper“, für die er 2009 den sittcomm.award für künstlerische Fotografie verliehen bekam und die meiner Meinung nach als Buch besser funktionieren würde als an der Wand, auch an den Skandal, den der libanesische Reuters-Fotograf Adnan Hajj 2006 auslöste: Hajj schoss ein Bild von den Folgen eines Angriffs der israelischen Luftwaffe auf Hisbollah-Ziele in Beirut. Auf dem Foto sind Rauchschwaden über der Stadt zu sehen, aber Haji kopierte mit Photoshop noch zusätzlichen Rauch hinein, um die Aufnahme dramatischer wirken zu lassen. Bei aller Schelte, die Haji – völlig zu Recht – für seine Manipulation erhielt: Er wird es kaum aus Spaß gemacht haben. Sein Eingriff war entweder politisch oder aber beruflich motiviert, um das Bild besser verkaufen zu können. So oder so muss man aber auch den Redaktionen, in diesem Fall Reuters, eine Mitschuld geben – die Manipulation war so schlecht, dass sie eigentlich hätte auffallen MÜSSEN.

Insofern stellt Gravljes mit seiner Ausstellung, die noch bis zum 6. November in der V8 Galerie in Kön zu sehen ist, die Frage nach der Verantwortung der Medien und auch, wie diese mit ihren Lesern, Hörern und Zuschauern umgehen.