Der amerikanische Fotograf Gregory Crewdson ist bekannt für seine keinen Aufwand scheuenden, fast mystischen Inszenierungen, die Dank ihrer Ästhetik und Lichtsetzung stark an Filme erinnern – an Filme, die es nie gegeben hat. Umso überraschender ist es, dass ausgerechnet dieser Crewdson, der gerne mit mehreren Dutzend Mitarbeitern „on location“ auftaucht, im für ihn fernen Rom eine stille, fast zärtliche Schwarzweiß-Serie zustandegebracht hat. „Sanctuary“, also Kultstätte oder Heiligtum, heißt das dazu im Hatje Cantz Verlag erschienene Buch, und es zeigt Aufnahmen von Cinecittà, dem berühmten Filmstudio-Komplex im Südosten Roms, in dem „La Dolce Vita“, aber auch amerikanische Produktionen wie „Ben Hur“ und „Quo Vadis“ entstanden.

Wirklich überraschend ist jedoch, dass all das fehlt, was für Crewdson typisch ist: Es gibt keine Farbe, es gibt (von wenigen Ausnahmen abgesehen) keine dramatische Lichtsetzung, es gibt keine Menschen und es gibt auch keinen narrativen Kern. Seine Bilder wirken auf den ersten Blick streng dokumentarisch-konservatorisch im Stil von Bernd und Hilla Becher – und auch ein wenig langweilig. Dabei ist „Sanctuary“ eine clevere Fortsetzung von Crewdsons Werk – nur mit anderen, umgekehrten Mitteln: Er, der große Inszenierer und Kulissenbauer, bedient sich an dem, was andere übrig gelassen haben. Crewdson braucht keine Geschichten anzustoßen, weil die Kulissen genügend Geschichten bergen, die längst im kollektiven Filmgedächtnis manifestiert sind. Gleichzeitig verheimlicht er nie, dass es eben alles bloß Kulisse ist: Im Hintergrund stehen die Wohnblöcke des angrenzenden Stadtteils, und die Gerüste der Hausattrappen versucht er erst gar nicht zu verstecken.

Lediglich auf dem letzten Bild läßt Crewdson durchscheinen, dass er noch immer der Alte ist – und setzt vollkommen unverhofft eine Frau in die nüchterne Pförtnerloge der Filmstudios, die von einem fast mystischen Licht angestrahlt wird. So, als würde er sagen wollen, dass die Ruhe in den Bildern zuvor bloß eine Illusion war.