2006 hat die Deutsche Gesellschaft für Photographie ihren Kulturpreis an Ed Ruscha verliehen. Der ist gar nicht unbedingt so sehr als Fotograf, sondern vielmehr als Konzeptkünstler bekannt. Dennoch ging die Auszeichnung vollkommen zu Recht an den Amerikaner.

Warum, könnt ihr hier bei Artnet lesen.

Nachtrag: Weil das Artnet-Magazin leider nicht mehr existiert, gibt es meinen Artikel nun hier.

 

Der Anti-Fotograf

Eines Vorweg: Ed Ruscha kann nicht fotografieren. Zumindest nicht nach klassischen fotografisch-ästhetischen Gesichtspunkten. Viele seiner Fotos wirken auf den ersten Blick wie nüchterne Bestandsaufnahmen, wie sie auch Karl Blossfeld oder Bernd und Hilla Becher gemacht haben. Doch er nimmt weder Rücksicht auf Brennweiten und Bildaufbau noch auf Tageszeiten und Wetter. Kurzum: Es sind Schnappschüsse.

Dennoch hat Ruscha nun den Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) verliehen bekommen. Die Auszeichnung fand im Museum Ludwig in Köln statt, das auch seine Ausstellung „Ed Ruscha. Photographer“ zeigt. Denn der Pop-Art-Künstler von der amerikanischen Westküste gilt als Wegbereiter der Konzeptkunst. Sein konzeptioneller Ansatz sei wichtig für eine Neubewertung der Fotografie als Kunst, und er habe „in hohem Maß dazu beigetragen, dass sich künstlerische Arbeit mit Fotografie etablieren konnte. Gleichzeitig ist er Wegbereiter und Revolutionär für eine ganze Generation jüngerer Künstler“, begründet die DGPh die Verleihung.

Der 1937 im Omaha, Nebraska, geborene Ruscha gehört durch seine Auseinandersetzung mit Büchern, Film und Grafikdesign zu einem der einflussreichsten Protagonisten amerikanischer Gegenwartkunst. Zwischen 1963 und 1978 veröffentlichte er 16 Künstlerbücher, die ebenso legendär wie unprätentiös sind. Das Buch „Twentysix Gasoline Stations“ zeigt genau das, was der Titel verspricht: 26 Tankstellen. Nicht mehr und nicht weniger. Das Buch brachte Ruscha damals im Eigenverlag heraus, und es kostete vier Dollar. Heute kann man es im Internet bestellen – die Erstauflage kostet so viel wie ein Kleinwagen.

Für das Leporello „Every Building on The Sunset Strip“ fotografierte Ruscha mit einer auf der Ladefläche seines Pick-ups installierten Nikon alle Gebäude entlang des Straßenabschnitts, klebte die Fotos anschließend zusammen und schuf eine Art Panorama, in denen er es mit den Schnittstellen allerdings nicht sonderlich genau nahm. Für sein Buch „Thirtyfour Parking Lots in Los Angeles“ engagierte er sogar einen Berufsfotografen, der die Parkplätze vom Hubschrauber aus fotografierte.

Auf der deutschen Version von Wikipedia existiert bis heute kein Eintrag

Sich selbst sieht Ruscha somit auch eher als Maler und Zeichner. Seine Arbeiten werden für Millionen gehandelt, doch Stefan Gronert vom Kunstmuseum Bonn meinte in seiner Laudatio über ihn: „Ed Ruscha ist ein Künstler, dessen Name bekannter ist als sein Werk.“ Selbst das ist noch schmeichelnd ausgedrückt. Selbst der Pressesprecher der DGPh, Hans-Günther von Zydowitz, gibt zu, den Namen Ruscha erstmals gehört zu haben, als darüber diskutiert wurde, ihm den Preis zu verleihen. Und auf der deutschen Version von Wikipedia existiert bis heute kein Eintrag unter seinem Namen.

Eigentlich wollte die DGPh Ruscha bereits 2005 mit ihrem Kulturpreis auszeichnen. Der konnte damals allerdings aus terminlichen Gründen nicht und so verschob man das ganze auf dieses Jahr. Die Wanderausstellung „Ed Ruscha. Photographer“, die unabhängig von der Preisverleihung in New York, Paris, Zürich und jetzt eben in Köln Station machte, kam der Jury dabei durchaus zu Nutzen, bildet sie doch einen wunderbaren Rahmen, um den einflussreichen Künstler in Deutschland bekannter zu machen. Und der befindet sich durchaus in guter Gesellschaft – schließlich zählen zu den Kulturpreisträgern auch bekannte Größen wie August Sander, Man Ray, Henri Cartier-Bresson, Bernd und Hilla Becher, David Hockney, Andreas Feininger, Wim Wenders und Daido Moriyama.

Verliehen wird der Preis seit 1959. Er zeichnet „Leistungen aus, die mit Hilfe der Fotografie erzielt wurden, insbesondere auf künstlerischem, humanitärem, caritativem, sozialem, technischem, erzieherischem oder wissenschaftlichem Gebiet.“ Die DGPh selbst wurde 1951 gegründet und hat ihren Sitz in Köln. Sie will ein offenes Forum für alle an der Fotografie interessierten sein und ist in die Sektionen „Bild“, „Bildung und Weiterbildung“, „Geschichte und Archive“, „Kunst, Markt und Recht“, „Medizin- und Wissenschaftsfotografie“ sowie „Wissenschaft und Technik“ gegliedert. Kritiker belächeln die Gesellschaft allerdings als „langweilige, alte Dame, die nicht mit der Zeit geht“, wie Pressesprecher von Zydowitz sagt – und dies natürlich abstreitet. So spiele die digitale Fotografie mit all ihren Problemen und Möglichkeiten für die DGPh eine wichtige Rolle. Außerdem habe sie einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Hochschulen des Landes.

Ed Ruscha hat 2006 den Kulturpreis der DGPh erhalten