Die Fotografien von Antoine D’Agata waren noch nie leicht zu ertragen. Ich erinnere mich noch sehr gut an seine Ausstellung im Forum für Fotografie vor etwa zehn Jahren, wo an der langen Wand Dutzende schwarz gerahmte Fotos dicht an dich hingen und mich gefangen nahmen. Es war ein Schlag in die Magengrube – und ein Erweckungserlebnis zugleich: Seine Themen kreisen meist um (käuflichen) Sex und Drogen; seine Protagonisten sind die Außenseiter der Gesellschaft (wozu er sich auch selbst zählt); seine sehr eigene Bildsprache macht daraus ein düsteres Tableau aus Begehren, Gewalt und Tod mit verzerrten Körpern und entstellten Gesichtern. Überspitzt formuliert: In „Café Lehmitz“ blickt der Fotograf Anders Petersen auf eine Gruppe von Huren, Freiern, Säufern und Draufgängern. Antoine D’Agata hingegen liefert uns den Blick dieser Huren, Freier, Säufer und Draufgänger auf sich selbst.

Mit „Antibodies“ (Prestel Verlag, 560 Seiten, ca 65 Euro) veröffentlicht der Magnum-Fotograf (ich frage mich bis heute, wie er es geschafft hat, in den Kreis dieser dem Humanismus verpflichteten Gruppe aufgenommen zu werden. Vielleicht ja gerade wegen seines mi­s­an­th­ro­pischen Weltbildes) nun eine eindrucksvolle Quintessenz seines Schaffens. Dafür hat D’Agata mehrere Serien zu einem schweren, schwarzen Fotobuch-Block zusammengefasst und dabei auch berücksichtigt, was zunächst nicht unbedingt dazu gehören würde: Fotos von bewaffneten Auseinandersetzungen in Palästina, aber auch Architekturaufnahmen von den Unorten unserer Städte sowie Bauruinen, Wohnbaracken und Schlafstätten in Slums. Das funktioniert erstaunlich hervorragend, denn die große Klammer ist D’Agatas Sicht auf die Welt. Die ist durch und durch negativ – und dabei so großartig wie ein Roman von Louis-Ferdinand Céline.

Link: Prestel