Und noch ein Buch über Fotografie und die Berge. Naja, zumindest könnte man das beim Anblick vieler Bilder aus „Ansichtssachen“ meinen. Doch bereits der Untertitel verrät, dass es eigentlich um etwas anderes geht: „150 Jahre Architekturfotografie in Graubünden“.

Herausgegeben wurde das Buch (384 Seiten, 117 farbige und 136 schwarzweiße Abbildungen, 48 Euro) von Stephan Kunz und Köbi Gantenbein, und es ist zur gleichnamigen Ausstellung im Bündner Kunstmuseum Chur im Verlag Scheidegger & Spiess erschienen. Darin gehen sie dem Stellenwert nach, den die Architektur im schweizerischen Graubünden seit dem 19. Jahrhundert hat. „Weil aber in erster Linie Fotografien betrachtet werden, steht nicht die Geschichte der Architektur in diesem Kanton im Zentrum. Vielmehr geht es um die Sicht der Fotografen und um die Frage, wie sich diese im Laufe der Zeit verändert hat. Was steht wann, wie und warum im Fokus?“, erklären die Herausgeber im Vorwort und unterstreichen diesen besonderen Aspekt direkt mit einer Reihe von Aufnahmen, die die Fotografen Katalin Deér, Christian Kerez, Claudio Moser, Stephan Schenk, Gaudenz Signorell von der St. Nepomuk-Kapelle in Oberrealta gemacht haben.

Dennoch ist es kein klassisches Fotobuch, sondern eher ein reich bebildertes Lesebuch, das in Aufsätzen die je spezifische Sicht von Architekten, Ingenieuren und Fotografen aufzeigt. So lernen wir unter anderem den Fotografen Christian Ferdinand Meisner (1863-1929) kennen, der sich das ehrgeizige Ziel gesetzt hatte, die Bündner Täler und Ortschaften zu dokumentieren, dabei aber auch die Landschaft auf sehr eigenwillige Art interpretiert. Oder wir entdecken Albert Steiner (1877-1965), der die Natur liebt und dem Architektur darin wie Fremdkörper vorkommt – auf mich wirkt er wie eine Art schweizerischer Ansel Adams. Die Spannweite erstreckt sich schließlich bis zu kritischen Fotografen der Jetztzeit, in denen die Postkartenidylle von Fotografen wie Hans Steiner, Paolo Rosselli, Marcel Hoffmann und Jules Spinatsch hinterfragt und auch zerstört wird.

Diese Mischung macht den Reiz und den Wert von „Ansichtssache“ aus. Zugleich kann man anhand dieses überschaubaren Gebietes die Entwicklung der Architekturfotografiegeschichte im Allgemeinen verdeutlichen.

Link: Scheidegger & Spiess